Montag, 15. Juli 2019

Meine Informationsquellen – Ergänzung


Inzwischen habe ich einige weitere Bücher zu Ende gelesen:
Der Traum der Roten Kammer“
Die Reise in den Westen“
Die drei Reiche“
Die Räuber vom Liang Schan Moor“

Damit sind die kanonischen Klassiker aus China durch und ich darf nun beanspruchen, einigermassen gebildet zu sein. Einige Beispiele, was man daraus lernen kann:

- In den Berichten über die Kulturrevolution der 1960er habe ich geschwärzte Gesichter nur für eine Demütigung unter vielen gehalten, die man den Opfern zufügte, aber sie steht offenbar in einer langen Tradition wie wir in „Die drei Reiche“ sehen.

- Vor einiger Zeit wunderte ich mich, dass Präsident Xi Jinping auf offiziellen Plakaten mit roten Lippen dargestellt wird. Wie wir aus seinen öffentlichen Auftritten wissen, trägt er keinen Lippenstift, also warum wurde er so gemalt?
Erst aus der Beschreibung klassischer Helden erschliesst sich das, rote Lippen bei Männern gelten in China als Zeichen besonderer Vitalität. Der grosse Stratege Zhuge Liang aka Kongming etwa wird nach seinem Tode als Geistererscheinung geschildert mit „Zinnoberlippen“.

- Spekulativ muss einstweilen ein anderer Gedanke bleiben. Aus „Die drei Reiche“ lernen wir auch, dass Rot die Farbe der Han-Dynastie war – und diese Dynastie wiederum war so einflussreich, „dass die Chinesen sich bis heute Han-Menschen nennen“, so Kai Vogelsang in seiner modernen „Geschichte Chinas“. Ausserdem ist nach „Der Traum der Roten Kammer“ die Selbstkritik keineswegs eine kommunistische Erfindung, sondern die letzte Konsequenz der Selbstverkleinerung, welche zur chinesischen Höflichkeit gehört.
Das könnte helfen, zu verstehen, warum der Marxismus in China so erfolgreich war wie in keinem europäischen Land: er könnte, bewusst oder unbewusst, eine positiv besetzte ältere Symbolik gekapert haben.

An diesen Details zeigt sich: Man kann auch Ereignisse im modernen China nur verstehen, wenn man sich ihre historischen Wurzeln klarmacht.

Gebrauchsanweisung Chinesisch“ hat sich als ein Buch erwiesen, das man nicht in einem Zuge lesen und dann abhaken kann, sondern man muss es wohl nach Bedarf immer wieder zur Hand nehmen.
Philosophische Abschweifung: Inzwischen liesse sich freilich darüber streiten, wie weit Sprachkenntnisse noch notwendig sind, wenn Google Translate den Job immer besser macht. Ich habe erlebt, dass das Smartphone zum „Universalübersetzer“ geworden ist, den die Science Fiction der 1960er so schön ausmalte, denn ich habe mich vor einer Woche mit einer Frau aus Puerto Rico unterhalten. Sie sprach wenig Deutsch und ich noch weniger Spanisch, aber wir konnten uns mit Hilfe ihres Smartphones, das unsere hineingesprochenen Sätze in der jeweils anderen Sprache ausgab, ausgezeichnet verständigen.

Zurück zur Bildung: Meine Ansicht, dass China wichtig ist und wir es deswegen verstehen müssen, ist inzwischen durch weitere Ereignisse gefestigt worden. Viele Menschen im Westen starren bei dem Wort „Supermacht“ immer noch auf die USA wie das Kaninchen auf die Schlange, aber die Fakten sprechen für sich.
Yuval Harari hat 2015 in „Homo Deus“ angemerkt, dass die Fehlschläge der US-Aussenpolitik auf eine prinzipielle Unfähigkeit hindeuten, denn man könne offenbar mit den Daten, die CIA, NSA usw. in all den Jahren gesammelt und ausgewertet haben, überhaupt nichts anfangen. Inzwischen ist das noch schlimmer geworden, denn der jetzige Präsident Trump ist ein Primitivling, der das Thema Strategie niemals verstehen wird, weil sein Gehirn dafür zu klein ist.
Ich stelle mir vor, dass die chinesischen Strategen seit Trumps Amtsantritt aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommen, denn noch nie hat man es ihnen so einfach gemacht und sie lassen sich die Gelegenheit ja auch nicht entgehen. Der Beweis dafür sind die jüngsten Triumphzüge von Präsident Xi in der westlichen Welt, die ein ums andere Mal vor ihm Kotau macht, ein Musterbeispiel für „Mit leichter Hand das Schaf wegführen“ (Strategem Nummer 12). Was braucht Xi das Gefasel vom „Handelskrieg“ zu kümmern? Gerade Trumps Zollpolitik öffnet China die Türen der ganzen Welt!

Also, liebe Leute: Setzt euch um Himmelswillen auf den Hosenboden und lernt etwas über unsere neuen Oberherren. Die Bücher, die ich hier und in meinem früheren Artikel aufgelistet habe, sind dafür ein hervorragender Einstieg.