Inzwischen
habe ich einige weitere Bücher zu Ende gelesen:
„Der
Traum der Roten Kammer“
„Die
Reise in den Westen“
„Die
drei Reiche“
„Die
Räuber vom Liang Schan Moor“
Damit
sind die kanonischen Klassiker aus China durch und ich darf nun
beanspruchen, einigermassen gebildet zu sein. Einige Beispiele, was
man daraus lernen kann:
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In den Berichten über die Kulturrevolution der 1960er habe ich
geschwärzte Gesichter nur für eine Demütigung unter vielen
gehalten, die man den Opfern zufügte, aber sie steht offenbar in
einer langen Tradition wie wir in „Die drei Reiche“ sehen.
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Vor einiger Zeit wunderte ich mich, dass Präsident Xi Jinping auf
offiziellen Plakaten mit roten Lippen dargestellt wird. Wie wir aus
seinen öffentlichen Auftritten wissen, trägt er keinen Lippenstift,
also warum wurde er so gemalt?
Erst
aus der Beschreibung klassischer Helden erschliesst sich das, rote
Lippen bei Männern gelten in China als Zeichen besonderer Vitalität.
Der grosse Stratege Zhuge Liang aka Kongming etwa wird nach seinem
Tode als Geistererscheinung geschildert mit „Zinnoberlippen“.
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Spekulativ muss einstweilen ein anderer Gedanke bleiben. Aus „Die
drei Reiche“ lernen wir auch, dass Rot die Farbe der Han-Dynastie
war – und diese Dynastie wiederum war so einflussreich, „dass die
Chinesen sich bis heute Han-Menschen nennen“, so Kai Vogelsang in
seiner modernen „Geschichte Chinas“. Ausserdem ist nach „Der
Traum der Roten Kammer“ die Selbstkritik keineswegs eine
kommunistische Erfindung, sondern die letzte Konsequenz der
Selbstverkleinerung, welche zur chinesischen Höflichkeit gehört.
Das
könnte helfen, zu verstehen, warum der Marxismus in China so
erfolgreich war wie in keinem europäischen Land: er könnte, bewusst
oder unbewusst, eine positiv besetzte ältere Symbolik gekapert
haben.
An
diesen Details zeigt sich: Man kann auch Ereignisse im modernen China
nur verstehen, wenn man sich ihre historischen Wurzeln klarmacht.
„Gebrauchsanweisung
Chinesisch“ hat sich als ein Buch erwiesen, das man nicht in einem
Zuge lesen und dann abhaken kann, sondern man muss es wohl nach
Bedarf immer wieder zur Hand nehmen.
Philosophische
Abschweifung: Inzwischen liesse sich freilich darüber streiten, wie
weit Sprachkenntnisse noch notwendig sind, wenn Google Translate den
Job immer besser macht. Ich habe erlebt, dass das Smartphone zum
„Universalübersetzer“ geworden ist, den die Science Fiction der
1960er so schön ausmalte, denn ich habe mich vor einer Woche mit
einer Frau aus Puerto Rico unterhalten. Sie sprach wenig Deutsch und
ich noch weniger Spanisch, aber wir konnten uns mit Hilfe ihres
Smartphones, das unsere hineingesprochenen Sätze in der jeweils
anderen Sprache ausgab, ausgezeichnet verständigen.
Zurück
zur Bildung: Meine Ansicht, dass China wichtig ist und wir es
deswegen verstehen müssen, ist inzwischen durch weitere Ereignisse
gefestigt worden. Viele Menschen im Westen starren bei dem Wort
„Supermacht“ immer noch auf die USA wie das Kaninchen auf die
Schlange, aber die Fakten sprechen für sich.
Yuval
Harari hat 2015 in „Homo Deus“ angemerkt, dass die Fehlschläge
der US-Aussenpolitik auf eine prinzipielle Unfähigkeit hindeuten,
denn man könne offenbar mit den Daten, die CIA, NSA usw. in all den
Jahren gesammelt und ausgewertet haben, überhaupt nichts anfangen.
Inzwischen ist das noch schlimmer geworden, denn der jetzige
Präsident Trump ist ein Primitivling, der das Thema Strategie
niemals verstehen wird, weil sein Gehirn dafür zu klein ist.
Ich
stelle mir vor, dass die chinesischen Strategen seit Trumps
Amtsantritt aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommen, denn noch nie
hat man es ihnen so einfach gemacht und sie lassen sich die
Gelegenheit ja auch nicht entgehen. Der Beweis dafür sind die
jüngsten Triumphzüge von Präsident Xi in der westlichen Welt, die
ein ums andere Mal vor ihm Kotau macht, ein Musterbeispiel für „Mit
leichter Hand das Schaf wegführen“ (Strategem Nummer 12). Was
braucht Xi das Gefasel vom „Handelskrieg“ zu kümmern? Gerade
Trumps Zollpolitik öffnet China die Türen der ganzen Welt!
Also,
liebe Leute: Setzt euch um Himmelswillen auf den Hosenboden und lernt
etwas über unsere neuen Oberherren. Die Bücher, die ich hier und in
meinem früheren Artikel aufgelistet habe, sind dafür ein
hervorragender Einstieg.