In eine Katastrophe, kurz gesagt.
Nach
wie vor gibt es eine Menge Arbeit auf der Welt und es ist weiterhin Geld damit zu
verdienen, an diesem Wochenende meldeten die Nachrichten eine
Absatzsteigerung bei Opel, einen Absatzrekord bei Rolls-Royce und
Rekordumsätze der deutschen Spielwarenbranche, Youtube wächst und
gedeiht, China will noch mehr investieren und endlich wird für
Bildung mehr aufgewendet als jemals zuvor, so dass das
„manager-magazin“ den Reichen schon vorwirft, es mit der
Förderung ihrer Kinder zu übertreiben und die Ausgaben deutscher
Unternehmen für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter in den letzten
fünf Jahren um 25 % gestiegen sind (handelsblatt.com). Dieser letzte
Punkt ist besonders interessant, man hat offenbar auf breiter Front
erkannt, dass die Bildungskatastrophe nicht nur der Eitelkeit der
Eltern schadet, sondern auch der Wirtschaft und unternimmt etwas
dagegen.
An
den Dummen und Rückständigen geht das alles vorbei, sie können
nicht einmal einen kleinen Bruchteil der Milliarden erwerben, die bei
diesen Geschehnissen durch die Gegend fliegen, sondern sich höchstens
ein Almosen erbetteln. Diese Almosenvergabe wiederum ist staatlich
organisiert und wird gewöhnlich unter „Hartz IV“
zusammengefasst, ein Verfahren, das kein Zuckerschlecken ist, wenn
man nach den Erfahrungen der Leute geht: Ein Kollege erzählte
letztens von einer Bekannten, die als alleinerziehende Mutter Hartz
IV und Kindergeld bekommen sollte, was aber in der Praxis so abläuft,
dass das Kindergeld auf den Hartz IV-Satz angerechnet wird, sie also
weniger bekommt und Strom und Heizung selbst bezahlen muss. Als sie
dann fragte, wie man davon leben soll, wurde ihr auf dem Amt
vorgerechnet „Bei Aldi bekommen Sie Brot für einen Euro und Milch
für 69 Cent, davon können Sie eine Woche leben“ (und nein, das
ist kein Scherz).
Das
sollte Warnung genug sein, aber es ist längst noch nicht alles, denn
unter den Leuten, die nicht nur auf dem Amt, sondern auf der Strasse
betteln, finden sich einige, deren Talente buchstäblich weggeworfen
sind: Ich habe mich 1995 in Mainz mit einem Obdachlosen unterhalten,
der eine Art städtisches Original war und eine verblüffend
umfangreiche Bildung besass, einige Jahre später mit einem in
Koblenz, das war ein Religionsphilosoph, der den Papst hätte an die
Wand reden können und vor einigen Tagen mit einem hier in Essen,
dessen Eloquenz und gute Manieren man so manchem Abiturienten
wünschen würde.
Solche
Leute leben hierzulande auf der Strasse! Dies ist, um das Mindeste zu
sagen und dabei nicht in Sozialromantik zu verfallen, eine
Verschwendung von Human Ressources.
Warum
macht mich das so verrückt? Weil ich weiss, dass es auch anders
geht, es existieren Millionen von Erfolgsgeschichten und das sind nur
die, von denen wir etwas wissen.
Ein
Philosoph soll mal gesagt haben „Wer es bewirkt, dass zwei
Grashalme wuchsen, wo vorher nur einer wuchs, der hat nicht vergebens
gelebt“. Glückliche Menschen, die sich mit so etwas begnügen
können!
Ich
kann es nicht, denn mein Gehirn verlangt nicht nur immer neuen Input,
sondern weist mich auch immer wieder auf ungelöste Probleme hin.
Wenn ich dann keine Lösung habe, halte ich mich automatisch für
einen Versager, ganz egal wie komplex die Situation ist und wie viele
kluge Leute schon daran gescheitert sind.
Damit
könnte man fragen, warum ich so bin, aber das hat bis später Zeit,
statt dessen frage ich, ob es eine Lösung für Armut und Elend gibt
und die Antwort ist fast noch schrecklicher als die Situation selbst,
denn die Lösung ist nicht nur vorhanden, sondern auch bekannt:
Bildung. Wenn Leute nicht wissen, mit welchen Waren oder
Dienstleistungen Geld gemacht wird, können sie logischerweise nicht
daran teilnehmen; wenn sie nicht wissen, wie man mit Computern
umgeht, was weit mehr bedeutet, als das Ding einzuschalten und ein
paar Icons anzuklicken, sind sie jederzeit in Gefahr, ihren Job zu
verlieren, weil heutzutage alles digitalisiert ist; wenn sie die
Grundrechenarten nicht beherrschen, können sie ihre Einnahmen und
Ausgaben nicht vernünftig planen; wenn sie nicht wissen, was
Humanismus ist und warum er wertvoll ist, verstehen sie die Gefahr
nicht, die diverse Radikale von Al Qaida bis Pegida darstellen; wenn
sie nicht sehen, dass die Politik Lösungen nur vortäuscht, fallen
sie immer wieder auf die Politiker herein, was ihr Elend verlängert
usw.
Woher
nun Bildung nehmen? Das deutsche Schulsystem ist seit dem Erscheinen
des Buches „Die Bildungskatastrophe“ von 1964 nicht besser
geworden, sondern schlechter, so die nächste hässliche Information.
Proske hat in „Auf der Suche nach der Welt von morgen“ im Jahr
1968 sogar festgestellt, wir wären in der Schulbildung „auf den
Stand eines Entwicklungslandes zurückgefallen“ und dem ist als
Diagnose nichts mehr hinzuzufügen, wie ein weiteres Buch,
„Generation Doof“, im Jahre 2006 bezeugte. Das bedeutet, dass man
von den Schulen keine Hilfe mehr erwarten kann, wir müssen uns
selbst helfen.
Nehmen
wir ganz egomanisch mich selbst als Beispiel. Ich stelle in diesem
Blog diverse Informationen zur Verfügung und erreiche, wenn es hoch
kommt, zehn Leute pro Artikel. Das ist im Vergleich zur Menge aller
Menschen im deutschen Sprachraum eine verzweifelt geringe Zahl und so
könnte man meinen, mein Geschreibsel wäre sinnlos. Ist das nun eine
Rechtfertigung, nichts mehr zu schreiben? Nein, denn die Geschichte
beweist zur Genüge, dass selbst die unscheinbarsten Dinge nützlich
werden können, so lange also das Problem nicht gelöst ist, muss ich
eher noch mehr schreiben. Ohne jede Ironie: das ist eine Form von
Bürgerpflicht und dass ich mit dem arbeite, was ich habe, ist ein
Gebot der Vernunft.
Um
es ausdrücklich zu betonen, ich habe keine Ahnung, ob das
funktioniert. Dieser Text ist eine Beschreibung des Ist-Zustandes und
wurde erstellt in der Hoffnung, dass eine klare Darstellung als
Alternative zu politischem Geschwurbel bitter notwendig ist, um die
Krankheit erst einmal zu diagnostizieren, bevor man sie heilen kann.
Wie
sieht der nächste Schritt aus?
Wenn
wir von den Bildungsmöglichkeiten des Internets schwärmen, weil wir
uns auf Youtube eine wissenschaftliche Vorlesung zehnmal oder
hundertmal hintereinander ansehen können, bis wir den Sachverhalt
kapiert haben, müssen wir uns gleichzeitig der Tatsache stellen,
dass Millionen Menschen in Deutschland nichts von dieser Möglichkeit
wissen. Wenn die Space Frogs ein Video machen mit dem Titel „Unsere
Schule lutscht“, um damit gegen Bildungsmängel zu protestieren und
Lösungen vorzuschlagen, sehen das nur Menschen, die zumindest
einigermassen internetaffin sind, diejenigen, die es bräuchten wie
z.B. Lehrkräfte, denen so etwas zur Selbsterkenntnis verhelfen
könnte, bekommen davon nichts mit.
Wir,
die wir diese Dinge wissen, zögern oft, von diesem Wissen etwas
weiterzugeben, denn Wissen ist Macht wie eh und je und Macht möchten
wir Menschen nicht gerne teilen. In anderen Fällen fehlt uns
schlicht die Zeit, denn gerade weil wir mit Computern
klarkommen etc., haben wir unendlich viel zu tun und schon einen
einzelnen Unwissenden „da abzuholen wo er steht“ und ihm etwas
beizubiegen, ist eine Arbeit, die Tage oder gar Wochen in Anspruch
nimmt, eine Zeit wiederum, die man auch mit besser bezahlten
Tätigkeiten verbringen kann.
Lösung?
Mehr
Investitionen in Bildung, das ist klar und sie sollten auch wirklich
in Bildung fliessen und nicht in die Verwaltung.
Des
Weiteren folge ich den Space Frogs darin, dass Bildungspolitik, wenn
sie sich schon nicht überflüssig machen lässt, Bundessache sein
sollte und nicht Ländersache, um die krankhafte regionale
Zersplitterung zu überwinden.
Drittens
muss jeder, der etwas weiss und kann, über seine eigene Haltung zu
dem Thema nachdenken – schotte ich mich unnötig ab, bin ich
wirklich in Gefahr, wenn ich Wissen weitergebe usw.?
Viertens
wird uns niemand die Verantwortung für uns selbst abnehmen, wir
sollten jede Woche etwas dazulernen und wenn es nur Kleinigkeiten
sind, von denen wir bisher nichts wussten, denn diese Art Input hält
unsere Gehirne fit. In einer Welt der schnellen Veränderungen ist
schnelles Lernen buchstäblich eine Überlebenseigenschaft.
Wenn
noch jemandem etwas einfällt, legt los.