Montag, 7. März 2016

Gegen die allgemeine Dummheit – Teil 2

[Verbeugung mit Musik: Hornsignal „Assembly“ (freie Musik)]
 
Im vorherigen Video haben wir die Liste der römischen Kaiser als Beispiel für klassische Bildung genommen, jedoch kann man in unserer Zeit diese Liste und etliches Andere über das alte Rom in der Wikipedia nachlesen, weshalb die Frage gestellt wird, ob aktuelles Wissen nicht wichtiger wäre. 

Tja, wenn die Leute dieses aktuelle Wissen mal hätten!
 
Ein Beispiel: Vor einigen Jahren las man auf heise.de, dass laut einer Umfrage sich 40 % der Deutschen „gute Computerkenntisse“ zuschrieben und wenn man dann fragte, worin diese Kenntnisse bestünden, so verstanden die Leute darunter „die Bedienung eines Browsers“!
Wow – das nenne ich mal Sachkompetenz. 

Oder: In einem Zeitungsartikel, der sich als fachkompetent gab, hiess es einmal, Youtube-Videos downzuloaden könnten „nur Profis“ schaffen. Nach diesem Kriterium ist jeder, der fähig ist, die entsprechende Frage zu googeln und äh, die Antwort vom Bildschirm abzulesen, ein Internetexperte – mit Expertise hat das alles in Wirklichkeit nichts zu tun.
 
Dieses Muster findet man auch ausserhalb technischer Fragen, die neue Frisur einer Ministerin beispielsweise hat allen Ernstes Nachrichtenwert, dass aber die chinesischen Regierungen seit 1978 eine Fusion von Kommunismus und Kapitalismus herbeigeführt haben und dieses Experiment so erfolgreich war, dass China heute die ganze Welt aufkaufen kann, mit anderen Worten, dass sich hier eine langfristig angelegte Strategie entfaltet, wird fröhlich ignoriert. 

Damit sind wir wieder bei der Frage, wie man die Menschen für diese Dinge interessieren kann, denn was hat das alles mit einer Einzelperson zu tun, die ganz andere Sorgen hat? 

Nehmen wir also den reinen Egoismus als Grundlage. Das Argument, das wahrscheinlich bei den meisten Leuten greift, ist Geld – der „schnöde Mammon“, den wir doch so notwendig haben. Die Welt hat sich in den letzten einhundert Jahren rasant verändert und das Wissen von 1916 ist heute wertlos, genau wie das von 1966; wenn man heute noch Geld verdienen will, muss man wissen, wie die Dinge im 21. Jahrhundert funktionieren.
 
Wenn euch dabei China „zu weit weg“ ist, schaut z.B. auf Bayer. Die Bayer AG von heute ist nicht mehr die Firma von 1966 und erst recht nicht die von 1866, sondern sie hat sich immer wieder verändert, um zu überleben; während Tausende von anderen Firmen, die auch im 19. Jahrhundert gegründet wurden, heute nicht mehr existieren. Bayer hat sich immer wieder angepasst, hat Neues gelernt und nur deswegen verdient man dort heute noch Geld.
 
Das ist ein Beispiel im Grossen und es gilt genauso für jede Einzelperson; fragt euch selbst, was Schulabschlüsse aus der Zeit vor den Smartphones heute noch wert sind, ja ganz grausam gesagt, angesichts eines immer schlechter werdenden Schulsystems müssen sogar Menschen, die im Jahr 2015 Abitur gemacht haben, heute schon wieder dazulernen. Die, die es nicht tun, spazieren in Hartz IV. 

Ein anderer Aspekt des Egoismus ist die Eitelkeit, dazu ein Beispiel aus meiner Kindheit. Ende der 1970er und Anfang der 1980er-Jahre war die Zeit von Nachrüstungsdebatte und Nato-Doppelbeschluss, die Medien redeten permanent von Dingen wie „Kurz- und Mittelstreckenraketen“ und dazu kamen noch Schlagzeilen wie „Briten kämpfen auf den Falklands“.
Meine Reaktion damals war „kämpfen wo?“, denn ich hatte noch nie von den Falklandinseln gehört und verstand auch nichts von all' den anderen Dingen, die die Erwachsenen so aufregten; in punkto Atomwaffen musste ich sogar feststellen, dass die Leute zwar davon redeten, aber keine Ahnung von diesen Dingern hatten.
Das war ziemlich beängstigend für einen kleinen Jungen, denn die Erwachsenen waren ja schliesslich Halbgötter, die alles wussten, alles konnten und mit allem fertig werden sollten – ääh, zumindest theoretisch. 

In Wirklichkeit waren sie nicht einmal fähig, zu begreifen, dass es zwischen der Hiroshimabombe und der Nagasakibombe von 1945 Unterschiede in der Bauart gab, gar nicht zu reden von den strategischen, technischen, wirtschaftlichen und sozialen Implikationen, die Atomwaffen im Kalten Krieg mit sich brachten. Man musste sich also selbst in das Thema einlesen und das war möglich, weil die Informationen damals in gedruckten Büchern ebenso zugänglich waren wie heute im Internet.
Das funktionierte tatsächlich: Als ich einige Jahre später anlässlich einer Zeitungsnachricht das Kürzel „TNW“ verwendete – das steht für „Taktische Nuklearwaffen“ – und mein Vater fragte, was es bedeutet, da merkte ich zum ersten Mal, dass ich etwas gelernt hatte, bei dem die Erwachsenen in meiner Umgebung nicht mehr mitkamen.
Nur ein Minimum an Information und es war ein tolles Gefühl, dass das die Grossen so beeindruckte. 

Der verbindende Faktor bei alledem ist einer, den sogar ein Politiker erkennen kann, wie Tony Blair, der seinerzeit sagte, man bräuchte „Education, Education, Education“ – Bildung, Bildung, Bildung; in diesem Fall aus den sogenannten MINT-Bereichen, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik; ein Einblick in Geschichte und Strategie kann auch nicht schaden. 

Deshalb also neben der klassischen auch moderne Bildung, Leute, deshalb Lernen und immer wieder Lernen, Wikipedia-Artikel lesen bis zum Abwinken, Lesen und Schreiben lernen, die Grundrechenarten beherrschen, um aus Schulden rauszukommen oder Drei-D-Drucker konstruieren, die Sand aus der Taklamakan-Wüste verarbeiten oder was auch immer, so lange ihr nur eure Gehirne benutzt und euer Wissen erweitert.
Nicht für die Lehrer, nicht für die Professoren, nicht für die Eitelkeit eurer Eltern – und erst recht nicht für die Politiker.
 
Nur für euch selbst, zu eurem eigenen Vorteil.
Danke für eure Zeit.

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