Montag, 9. Juni 2014

Eine kurze Kurzgeschichte


Ganz ehrlich, ich begreife es nicht. Wenn ihr doch wusstet, dass die Politiker in jedem Fall Lügner und Betrüger waren, warum seid ihr ihnen dann gefolgt?
Nun, erwiderte der alte Brite mit einem feinen Lächeln,Winston Churchill war ein Schweinehund, aber er war unser Schweinehund.
Das trifft es, pflichtete ihm der alte Deutsche bei.
Wir haben ein solches Wort nicht benutzt, aber Hitler war eben unser Mann.
Die Enkel und Urenkel der beiden alten Herren sahen sich hilflos an. Sie begriffen eine solche Denkweise nicht.

Erst später begannen sie zu ahnen, dass es jenseits des post-modernistischen Diskurses noch andere Sichtweisen auf die Wirklichkeit gab. Man konnte davon halten, was man wollte, aber sie waren da und beeinflussten das Handeln der Menschen.
Erst von da an wurden ihnen auch andere Dinge verständlich, etwa wie Anfang 1943 in Nordafrika Deutsche und Briten, die gerade noch aufeinander geschossen hatten, am Tag nach der deutschen Kapitulation zusammen Fussball spielen konnten.

Aber wenn die Welt nicht so einfach war, dass man sie dekonstruktivistisch erfassen konnte, wie war sie dann?

China hat Russland gekauft


Äh - Russland ???

Ja, genau dies ist vor gut zwei Wochen geschehen. Natürlich nennt man es anders, aber die Summe der Wirtschaftsverträge, die Putin bei seiner Kriechtour in Peking unterzeichnet hat, bedeutet genau das: den vollständigen Ausverkauf Russlands an China.

Etwas Derartiges hat es buchstäblich noch nie in der Geschichte gegeben. Ganze oder teilweise „Feindliche Übernahmen“ von Ländern durch andere Länder mittels einer Kombination aus militärischem, wirtschaftlichem und diplomatischem Druck gehören zum Normalfall, den man erst seit 1945 für unfein erklärte, aber ein anderes Land zu übernehmen ohne einen einzigen Schuss, nur mit Geld, das ist etwas Neues. Die chinesische Regierung hat einzelne Elemente dieser Strategie schon vorher in Afrika und im Nahen Osten angewendet – vielleicht auch anderswo, das Thema ist so komplex, dass ich sicher Einiges übersehe – und nun ein strategisches Meisterwerk vollbracht, dessen volle Bedeutung wir noch gar nicht erkannt haben und das auf eine Zukunft vorausweist, in der so etwas noch öfter geschehen wird.

In der Sache selbst war es eine Anwendung der klassischen chinesischen Strategeme und zwar, soweit ich als primitiver Westmensch das verstehe, eine Ketten-Strategie, also Strategem Nummer 35 „Verknüpfen von zwei oder mehr Strategemen“ und die beiden verknüpften sind Nummer 9 „Das Feuer am gegenüberliegenden Ufer beobachten“ (warten, bis Putin sich hinreichend selbst geschwächt hatte) und Nummer 12 „Mit leichter Hand das Schaf wegführen“ (zugreifen, als es soweit war).

Darüber hinaus ist das Ganze langfristig angelegt, auch wenn Putin schon Geschichte ist, wird China weiterhin die Kontrolle über Russland haben und behalten bis in alle Ewigkeit. Das bedeutet, dass der innerrussische Machtkampf, der nach dem Sturz und/oder Tod Putins ausbricht, an Bedeutung verloren hat, denn die Kontrahenten müssen essen und ohne den Willen Chinas wird fortan in Russland kein Feld bebaut und kein Schwein geschlachtet.

Freilich wird es noch ewas dauern, die Beute zu sichten und neu zu organisieren, weg vom Moskau-zentrierten System hin zum grösstmöglichen Nutzen für China, aber das Reich der Mitte hat Zeit. Sogar ein Verrückter wie Mao Zedong hatte das begriffen und die geistig gesunde chinesische Führung unserer Zeit weiss es um so besser. Während wir nicht fähig sind, über einzelne Kalenderwochen oder höchstens Quartalszahlen hinauszudenken und uns deswegen einbilden, in Russland hätte sich nichts geändert, kann China tausend Jahre warten, bis sich wieder eine Gelegenheit ergibt und auch jederzeit handeln, wenn die Sache schneller geht.

Sie wird schneller gehen.