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Zitate nach der Übersetzung von Dorothea Tieck, frühes 19.
Jahrhundert.
Es
wird grossen Schriftstellern nachgesagt, dass sie zeitlos wären und
uns auch in einer digitalisierten Welt immer noch etwas zu sagen
hätten. Wir wollen dies heute an einem Werk Shakespeares betrachten:
„Macbeth“.
Ich
hielt den Untergang dieses Königs zuerst für ein Beispiel von
„information overload“, aber dann wurde mir klar, dass die Sache
ein wenig komplexer ist. Also:
Der
Protagonist und seine dämonische Lady häufen Mord auf Mord und
Verrat auf Verrat, verbreiten „Fake News“, was das Zeug hält,
kurzum, sind Gegner, mit denen man sich lieber nicht anlegt –
sollte an meinen.
Statt
dessen passiert das Gegenteil, was auch immer die Usurpatoren tun, um
ihre Macht zu sichern, schafft ihnen immer nur neue Feinde und neue
Gefahren. Ihre Fake News wenden sich gegen sie (dritter Akt, sechste
Szene); ihr Sturz wird weit weg von ihrem eigenen Machtbereich
vorbereitet (vierter Akt, dritte Szene) und selbst wenn sie wollten,
könnten sie nichts dagegen unternehmen, weil ihnen sowohl die
Kapazitäten fehlen als auch die Kenntnisse, um diese anzuwenden.
Es
ist das selbe Muster, welches wir heute sehen, wenn Menschen vor den
Herausforderungen der Digitalisierung versagen, so wie beispielsweise
den Bushisten unter George W. bis zum Ende ihrer Regierung nicht klar
wurde, was sie taten, indem sie die Welt des Digitalen nicht
verstehen wollten und dass es die Sache nur noch schlimmer machte,
das Netz ausschliesslich als Feind zu betrachten. Die Analysten der
CIA schrieben sich die Finger wund, aber im Dunstkreis der damaligen
US-Regierung hat man das nicht verstanden, ja nicht einmal hören
wollen.
„Den
Hunden deine Kunst, ich mag sie nicht. –
Legt mir die Rüstung
an...“
(Fünfter
Akt, dritte Szene)
Allmählich
aber waren die Fakten doch nicht mehr zu leugnen:
„Ist
Wahrheit das, was seine Meldung spricht,
So
ist kein Fliehn von hier, ist Bleiben nicht.
Das
Sonnenlicht will schon verhaßt mir werden;
O
fiel in Trümmer jetzt der Bau der Erden!
Auf,
läutet Sturm! Wind, blas! Heran, Verderben!
Den
Harnisch auf dem Rücken will ich sterben.“
(Fünfter
Akt, fünfte Szene)
So
haben die Republikaner in der Zeit von 2001 bis 2008 den Weg für den
Internetstar Obama bereitet und zusätzlich noch die eigene Partei in
die Gefangenschaft eines hoffnungslos Wahnsinnigen geführt – das
Schlimmste, was aus ihrer Perspektive passieren konnte. Macbeth'
Selbstzweifel könnten ebenso von George W. Bush gesprochen sein:
„Mein
Haupt empfing die unfruchtbare Krone;
Das dürre Zepter
reichten sie der Faust,
Daß eine fremde Hand es
mir entwinde,
Kein Sohn von mir es
erbe. Ist es so?
Hab
ich für Banquos Stamm mein Herz befleckt,
Für
sie erwürgt den gnadenreichen Duncan,
In
meinen Friedensbecher Gift gegossen
Einzig
für sie und mein unsterblich Kleinod
Dem
Erzfeind aller Menschen preisgegeben,
Zu
krönen sie, zu krönen Banquos Brut!“
Und
abermals nimmt er seine Zuflucht zu wahlloser Gewalt:
„Eh
das geschieht, komm, Schicksal, in die Schranken
Und
fordre mich auf Tod und Leben!“
(Dritter
Akt, erste Szene)
Die
selbe Dummheit begehen die ganz normalen Sterblichen. Ich höre noch,
wie viele Deutsche in den 2000ern gesagt haben „Ich muss mich nicht
verändern, ich hab' den Betriebsrat gefragt“. Wo ist dieser
Betriebsrat heute, wo eure Jobs von damals nicht mehr existieren?
Welche Protestveranstaltung hat die Roboter aufgehalten, die euch
wegrationalisierten? Ihr habt mit dieser eurer Blindheit nur den Weg
freigemacht für das nächste, übernächste und über-übernächste
Startup, deren Software wieder einen vom Menschen gemachten Handgriff
durch einen Algorithmus ersetzt.
Und
wie sich George W. Macbeth an den Krieg klammerte, um sein Scheitern
zu vertuschen, so klammert ihr kleinen Macbeth' euch heute an die
Hassprediger von der AfD und ihren grossen Bruder Putin, die euch
doch nicht retten.
Was
sind die Folgen?
Shakespeare
lässt seinen Bühnen-Macbeth am Ende köpfen, weil der Schurke ein
Ende nach dem Geschmack des Publikums finden muss. Eine Strafe, die
weit schrecklicher ist, erlitt George W. Bush in der wirklichen Welt,
denn er blieb am Leben und wird noch heute, Jahre nach dem Ende
seiner Präsidentschaft, von Gewissensbissen verfolgt. Dieser Mann
ist steinreich, aber Seelenfrieden kann er sich nicht kaufen.
Und
ihr, ihr Normalsterblichen? Tagtäglich müsst ihr Angst haben, dass
ihr in Hartz IV landet, kein einziger Arbeitsplatz ist sicher, keine
Firma von heute kann wissen, ob sie in einem Jahr noch existiert.
Schaut etwa auf Deutschlands heilige Kuh, die Autoindustrie, wie man
dort zittert vor dem Alptraum der Bedeutungslosigkeit, ja des
völligen Verschwindens und nichts dagegen tun kann. Die Bedrohung
ist real, aber wenn man gegen sie kämpfen will, so unangreifbar wie
ein Traumgebilde.
„Erscheint
dem Aug' und quält den Sinn,
Wie Schatten kommt und
fahrt dahin!“
(Vierter
Akt, erste Szene)
Warum
ist das so? Warum diese Parallele über Jahrhunderte hinweg?
Weil
die Realitätsverweigerung der Menschen immer die selbe geblieben
ist. Wir werden das Opfer unserer eigenen Dummheit, Macbeth, weil er
den Hexen glaubt und wir, weil wir den Politikern glauben, die aus
Prinzip keine Ahnung haben oder den „Experten“, deren einzige
Qualifikation darin besteht, dass sie in den Nachrichten und
Talkshows zu sehen sind.
Und
nein, ich werde euch jetzt nicht sagen, was ihr glauben sollt, denn
ich weiss es selber nicht. Das ist kein Scherz: ich weiss nicht, ob
mein Arbeitgeber in einem Jahr noch existiert oder was auch
immer sonst geschieht. Nur sehr allgemein lässt sich sagen, dass wir
in grösseren Veränderungen stecken als jemals zuvor in der
Menschheitsgeschichte und dass ein Denken in den alten Mustern in den
Untergang führt.
Wenn
es mir damit gelungen sein sollte, euer herkömmliches Denken
aufzubrechen und euch die Dinge aus einer anderen Perspektive sehen
zu lassen, dann ist das schon alles, was ich mir erhoffen kann. Der
Vollständigkeit halber muss noch gesagt, werden, dass selbst dies
nicht meine Leistung ist, sondern dass Shakespeare und die
Übersetzerin das Beste getan haben und ich nur einige
offensichtliche Dinge angesprochen habe.
Alles
Weitere liegt bei euch selbst, bei jedem Einzelnen von euch. Deswegen
gibt es in diesem Text auch keine Links zu anderen Websites, sondern
wenn ihr über einen bestimmten Punkt mehr wissen wollt, dann
schaltet eure Gehirne ein und recherchiert selbst.
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