Was
will China?
Die
Frage erscheint auf den ersten Blick etwas naiv, weil die Antwort so
offensichtlich ist: China will die Herrschaft über das ganze
Universum.
Das
aber interessiert die meisten Leute gar nicht. Sie stellen die Frage
mit den selben Worten und meinen dabei „Welche Bedeutung hat die
chinesische Expansion für mich selbst in den nächsten fünf bis
zehn Jahren?“, denn weiter voraus zu denken – und vor allem in
grösseren Dimensionen – ist ihnen nicht möglich.
Lebten
wir noch in der Ära der Segelschiffe zu Wasser und der reitenden
Boten zu Lande als den schnellsten Kommunikationsmitteln, bräuchten
wir nicht einmal in dieser begrenzten Weise zu fragen. China wäre
weit weg, etwas exotisch, aber weder gefährlich noch sonstwie
bedeutsam.
Dieser
Luxus ist uns heute nicht mehr vergönnt. In einer globalisierten
Welt ist China unser Nachbar wie Frankreich oder Polen, weitaus
mächtiger als alle anderen Nachbarn zusammen und das zu ignorieren,
wäre die Dummheit des Jahrhunderts.
Nehmen
wir also nur die Zeit von heute bis 2025, so sind wir aufgrund
unserer mangelhaften Technik auf die Erde, den erdnahen Orbit und
allenfalls noch Luna, Mars, Titan und Enceladus beschränkt. Das ist
auch schon ziemlich viel und parallel zur Sinisierung dieses Gebiets
läuft ja die Cyborgisierung, an Veränderungen wird es also nicht
fehlen. Was sie für den Einzelnen bedeuten, ist noch nicht
abschliessend zu beantworten, nur abstrakt lassen sich einige Punkte
skizzieren.
China
ist nicht nur das nächste grosse Ding, sondern es ist das grösste
Ding überhaupt, die grösste Sache der Welt und die grösste aller
Zeiten. Wir müssen uns darauf gefasst machen, dass nichts mehr
sicher ist und das bedeutet wirklich: nichts. Privat- wie
Arbeitsverhältnisse, Schule und Ausbildung, Ernährung, Mode,
Freizeitgestaltung, alles erscheint von Umwälzungen bedroht.
Privatleben:
Die totale Überwachung jeden Atemzuges von jedem lebenden Wesen
sowie willkürliche Eingriffe des Staates sind schon heute ein
offenes Geheimnis. Die Chinesen sind stärker an so etwas gewöhnt
als wir und werden sich oft wundern, warum wir uns darüber aufregen,
anstatt nach Wegen zu suchen, diese Überwachung auszutricksen.
Wer
dafür nicht die Nerven hat, dem bleibt nur die Unterwerfung und wer
sich nicht unterwerfen will, der wird gebrochen, sei es mit zwanzig
Jahren Straflager oder durch subtilere Mittel.
Sehr
im Nachteil ist z.B. die Religion, denn China hat den Atheismus zum
Prinzip erhoben. Glaube als Privatsache macht „nur“ verdächtig,
wenn aber Menschen aus religiösen Gründen etwas verändern wollen,
etwa die Tea Party in den USA oder die „Partei Bibeltreuer
Christen“ in Deutschland, werden sie unter chinesischer Herrschaft
entweder an die Wand gestellt und erschossen oder sie kommen ins
Straflager und etwas so Perverses wie die Kirchensteuer wird es erst
recht nicht mehr geben.
Exkurs:
Das erklärt nebenbei auch, warum sich der Islamismus und China so
spinnefeind sind. In der hauptsächlich von Muslimen bewohnten und
von westlichen Medien so getauften „Unruheprovinz“ Xinjiang etwa,
in der die ethnischen Konflikte zwischen turksprachigen Völkern und
Han-Chinesen schon schlimm genug sind, heizen die Islamisten den
Brand noch zusätzlich an und bekämpfen die chinesische
Gesellschaftsordnung ebenso fanatisch wie die westliche, das Selbe
tun die pakistanischen Radikalen angesichts der
chinesisch-pakistanischen Partnerschaft. Xinjiang grenzt übrigens
sowohl an Pakistan als auch an Tibet, Afghanistan und Indien, was für
die Zukunft noch jede Menge Zündstoff bereithält.
Daraus
ergibt sich weiterhin, dass es nur ein Frage der Zeit ist, bis ein
entsprechend begabter Chinese Technothriller über diese Kämpfe
schreibt, woraufhin ihn westliche Medien als „den chinesischen Tom
Clancy“ bezeichnen werden oder vielleicht gibt es diesen Autor auch
schon und ich habe nur noch nichts von ihm gehört.
Man
sieht, wie sich die möglichen Entwicklungen vervielfachen, wenn man
eine Idee nur zwei Schritte weiter verfolgt. Probieren Sie es mal
selbst.
Arbeit:
Es ist eine Binsenweisheit, dass unter chinesischer Herrschaft die
soziale Absicherung marginal ist und Arbeitnehmerrechte nicht
existieren. Dem wirkt entgegen, dass auch das chinesische System noch
nicht ohne Menschen auskommt und diese Menschen mittlerweile knapp
werden – so knapp, dass China gezielt Europäer anwirbt, denen man
bessere Konditionen bieten muss als den Einheimischen und dass man
ausserdem die ungelernten Wanderarbeiter auszubilden versucht. Bauern
und Fliessbandarbeiter werden immer weniger gebraucht, professionelle
Handwerker, Softwareexperten usw. dagegen dringender als je und trotz
aller Fortschritte in der Robotik und KI wird dies noch mindestens
bis 2019 so bleiben – dann kommt z.B. die Memristortechnik von HP
in die Serienfertigung, die hundertmal leistungsfähigere Hardware
als heute ermöglicht, was die Welt ein weiteres Mal verändert.
Die
Art der Arbeit wird sich auch dahingehend ändern, dass wir mehr mit
chinesischen Produkten arbeiten, also weg von Microsoft Windows, hin
zu Red Flag Linux. Des Weiteren müssen wir uns an mehr Flexibilität
gewöhnen, denn wir können jederzeit ohne Vorwarnung zu einer ganz
anderen Arbeit kommandiert werden, also z.B. aus dem Büro heraus zur
Gartenarbeit oder vom Hörsaal in die Fabrik, dies wohlgemerkt auch
in einem anderen Land oder auf einem anderen Kontinent; Relikte wie
„wir schliessen um 22 Uhr“, „rufen Sie nur zu geschäftsüblichen
Zeiten an“ oder „keine Nachtschichten“ kann man vergessen und
wenn wir bei alledem „nur“ eine 50-Stunden-Woche haben, kommen
wir noch gut weg.
Gleichzeitig
wird Arbeitslosigkeit nicht mehr toleriert, denn „Pflicht zur
Arbeit“ hat in China Verfassungsrang, also wird ALG II aka „Hartz
IV“ ersatzlos abgeschafft und ALG I, wenn überhaupt, nur noch
stark gekürzt existieren, das bedeutet, wenn man binnen sechs
Monaten keinen neuen Job findet, verhungert man. Die neuen Herren
werden uns mit roher Gewalt zur Arbeit zwingen, im nächsten Schritt
durch Implantate und wenn Sie daran sterben, interessiert es
niemanden.
Aus-
und Weiterbildung: In China herrscht traditionell das konfuzianische
Bildungsideal, das auch nach Japan, Korea und Vietnam ausstrahlt. Es
postuliert universale Bildung und totale Autoritätsgläubigkeit.
Auswirkungen
für uns: Der Lernstoff wird weit umfangreicher als bisher und der
Druck zum Lernen in jedem Alter nimmt radikal zu, Prügel- und andere
Körperstrafen breiten sich aus, Analphabetismus wird zum Verbrechen.
Viele
Europäer, die das bisher nicht sehen wollen, obwohl die
entsprechenden Informationen sowohl öffentlich als auch klar und
deutlich sind und die sich deswegen auch nicht darauf vorbereiten,
werden darunter zusammenbrechen, manche daran sterben.
Andere
werden kreativ und bedienen sich technischer Mittel, um ihre
Wissenslücken zu schliessen. Das gilt nicht als Betrug, denn es
kommt in der Praxis nicht darauf an, woher man das Wissen nimmt,
sondern nur, dass die Aufgabe gelöst wird – ein Phänomen, das ja
ohnehin das traditionelle Schulsystem in seiner Existenz bedroht.
Exkurs:
„Technische Mittel“ bedeutet nicht nur bessere Smartphones oder
Smartwatches, sondern auch Gehirnimplantate bis hin zu künstlichen
Neuronen und das ist kein Tippfehler. Das führt zu folgender
Entwicklung: von den Anfängen der Menschheit bis heute verwenden wir
einen grossen Teil unserer Arbeit darauf, Schäden zu beheben, die
die Dummheiten anderer Leute wie auch unsere eigenen Dummheiten
angerichtet haben. Mit Gehirnverstärkern, die unsere Dummheit
beseitigen, werden wir viele heutige Probleme nicht mehr kennen,
dadurch bleibt uns mehr Zeit, um produktiv zu sein und wir haben
unser Privatleben, unsere Gesundheit usw. besser im Griff, gar nicht
davon zu reden, was mehr Wissen und mehr Können im Kopf eines jeden
Individuums sonst noch ermöglichen.
Ernährung:
Die traditionelle deutsche Küche hat mindestens seit dem 18.
Jahrhundert internationale Einflüsse aufgenommen, was nur von 1914
bis 1945 unterbrochen wurde, ein klassisches Beispiel ist die als
„typisch deutsch“ geltende Currywurst mit Pommes Frites, denn
Curry kommt aus Indien, die Fritte aus Frankreich und Bratwurst
kannten schon die alten Hochkulturen im Mittelmeerraum. Dieser Wandel
wird sich fortsetzen und wir werden uns relativ leicht daran
gewöhnen, abgesehen von einigen Radikalen, denen es freisteht, sich
umzustellen oder zu verhungern.
Mode:
Das ist für mich so uninteressant, dass ich es anderen Leuten
überlasse. Ich frage nicht danach, welche Kleidung die Herrscher
tragen, aber der Rest der Menschheit nimmt das offenbar wichtig
genug, um es nachzumachen oder sich generell mit diesem Thema zu
befassen, also viel Vergnügen.
Freizeit:
Reisebeschränkungen für ganze Länder sind in Zukunft nicht mehr
relevant, denn in einem Weltstaat unter einheitlicher chinesischer
Herrschaft – China muss aus reinem Eigeninteresse den Weltfrieden
herbeiführen und dies ist wegen der menschlichen Natur nur durch
eine Weltherrschaft möglich – gibt es kein „feindliches“
Gebiet mehr, sondern allenfalls noch Regierungsviertel, die
gewöhnliche Leute nicht betreten dürfen.
Die
„Bewältigung der Freizeit“ als generelle Herausforderung wird
seit den 1960ern im Westen diskutiert und die chinesischen
Regierungen seit Deng lernen dabei eifrig mit. Technischer
Fortschritt und dadurch extrem gesteigerte Produktivität haben den
Menschen mehr Freizeit gegeben als je sowie eine „Freizeitindustrie“
entstehen lassen, die schon im 20. Jahrhundert alle Vorstellungen
sprengte.
Westliche
Intellektuelle empören sich gelgentlich über chinesische Versuche,
die Freizeitgestaltung als Kontroll- und Steuerungsinstrument gegen
die Bevölkerung zu verwenden, wobei sie verschweigen, dass westliche
Regierungen das nicht nur versuchen, sondern routinemässig tun, von
Napoleon mit seiner Erkenntnis, „dass man immer auf die Phantasie
der Menschen wirken müsse“ (zitiert nach Friedländer), weshalb er
Theaterstücke zensieren und Schriftsteller einsperren liess, bis zu
Gerhard Schröder, der seine Verachtung des Volkes ausdrückte, indem
er sagte, man brauche „nur Bild, BamS und Glotze“, um Deutschland
zu regieren. Alle Politiker der Welt handeln so und zwar bewusst und
absichtlich, was bedeutet, dass unter chinesischer Herrschaft
bestenfalls einige Akzente anders gesetzt werden, sich aber nichts
Wesentliches ändert.
Ich
sage noch einmal: Dies ist nur eine Skizze, ein allgemeiner Versuch,
die gigantischen Dimensionen der laufenden Veränderung zu erfassen.
Niemand kann jedem Einzelnen von uns die Verantwortung abnehmen, sich
diesen Entwicklungen zu stellen, die für sich selbst relevanten
Punkte näher herauszuarbeiten und sich bestmöglich daran
anzupassen.