Donnerstag, 21. August 2014

Was will China?


Was will China?

Die Frage erscheint auf den ersten Blick etwas naiv, weil die Antwort so offensichtlich ist: China will die Herrschaft über das ganze Universum.

Das aber interessiert die meisten Leute gar nicht. Sie stellen die Frage mit den selben Worten und meinen dabei „Welche Bedeutung hat die chinesische Expansion für mich selbst in den nächsten fünf bis zehn Jahren?“, denn weiter voraus zu denken – und vor allem in grösseren Dimensionen – ist ihnen nicht möglich.

Lebten wir noch in der Ära der Segelschiffe zu Wasser und der reitenden Boten zu Lande als den schnellsten Kommunikationsmitteln, bräuchten wir nicht einmal in dieser begrenzten Weise zu fragen. China wäre weit weg, etwas exotisch, aber weder gefährlich noch sonstwie bedeutsam.
Dieser Luxus ist uns heute nicht mehr vergönnt. In einer globalisierten Welt ist China unser Nachbar wie Frankreich oder Polen, weitaus mächtiger als alle anderen Nachbarn zusammen und das zu ignorieren, wäre die Dummheit des Jahrhunderts.

Nehmen wir also nur die Zeit von heute bis 2025, so sind wir aufgrund unserer mangelhaften Technik auf die Erde, den erdnahen Orbit und allenfalls noch Luna, Mars, Titan und Enceladus beschränkt. Das ist auch schon ziemlich viel und parallel zur Sinisierung dieses Gebiets läuft ja die Cyborgisierung, an Veränderungen wird es also nicht fehlen. Was sie für den Einzelnen bedeuten, ist noch nicht abschliessend zu beantworten, nur abstrakt lassen sich einige Punkte skizzieren.

China ist nicht nur das nächste grosse Ding, sondern es ist das grösste Ding überhaupt, die grösste Sache der Welt und die grösste aller Zeiten. Wir müssen uns darauf gefasst machen, dass nichts mehr sicher ist und das bedeutet wirklich: nichts. Privat- wie Arbeitsverhältnisse, Schule und Ausbildung, Ernährung, Mode, Freizeitgestaltung, alles erscheint von Umwälzungen bedroht.

Privatleben: Die totale Überwachung jeden Atemzuges von jedem lebenden Wesen sowie willkürliche Eingriffe des Staates sind schon heute ein offenes Geheimnis. Die Chinesen sind stärker an so etwas gewöhnt als wir und werden sich oft wundern, warum wir uns darüber aufregen, anstatt nach Wegen zu suchen, diese Überwachung auszutricksen.
Wer dafür nicht die Nerven hat, dem bleibt nur die Unterwerfung und wer sich nicht unterwerfen will, der wird gebrochen, sei es mit zwanzig Jahren Straflager oder durch subtilere Mittel.
Sehr im Nachteil ist z.B. die Religion, denn China hat den Atheismus zum Prinzip erhoben. Glaube als Privatsache macht „nur“ verdächtig, wenn aber Menschen aus religiösen Gründen etwas verändern wollen, etwa die Tea Party in den USA oder die „Partei Bibeltreuer Christen“ in Deutschland, werden sie unter chinesischer Herrschaft entweder an die Wand gestellt und erschossen oder sie kommen ins Straflager und etwas so Perverses wie die Kirchensteuer wird es erst recht nicht mehr geben.

Exkurs: Das erklärt nebenbei auch, warum sich der Islamismus und China so spinnefeind sind. In der hauptsächlich von Muslimen bewohnten und von westlichen Medien so getauften „Unruheprovinz“ Xinjiang etwa, in der die ethnischen Konflikte zwischen turksprachigen Völkern und Han-Chinesen schon schlimm genug sind, heizen die Islamisten den Brand noch zusätzlich an und bekämpfen die chinesische Gesellschaftsordnung ebenso fanatisch wie die westliche, das Selbe tun die pakistanischen Radikalen angesichts der chinesisch-pakistanischen Partnerschaft. Xinjiang grenzt übrigens sowohl an Pakistan als auch an Tibet, Afghanistan und Indien, was für die Zukunft noch jede Menge Zündstoff bereithält.
Daraus ergibt sich weiterhin, dass es nur ein Frage der Zeit ist, bis ein entsprechend begabter Chinese Technothriller über diese Kämpfe schreibt, woraufhin ihn westliche Medien als „den chinesischen Tom Clancy“ bezeichnen werden oder vielleicht gibt es diesen Autor auch schon und ich habe nur noch nichts von ihm gehört.
Man sieht, wie sich die möglichen Entwicklungen vervielfachen, wenn man eine Idee nur zwei Schritte weiter verfolgt. Probieren Sie es mal selbst.

Arbeit: Es ist eine Binsenweisheit, dass unter chinesischer Herrschaft die soziale Absicherung marginal ist und Arbeitnehmerrechte nicht existieren. Dem wirkt entgegen, dass auch das chinesische System noch nicht ohne Menschen auskommt und diese Menschen mittlerweile knapp werden – so knapp, dass China gezielt Europäer anwirbt, denen man bessere Konditionen bieten muss als den Einheimischen und dass man ausserdem die ungelernten Wanderarbeiter auszubilden versucht. Bauern und Fliessbandarbeiter werden immer weniger gebraucht, professionelle Handwerker, Softwareexperten usw. dagegen dringender als je und trotz aller Fortschritte in der Robotik und KI wird dies noch mindestens bis 2019 so bleiben – dann kommt z.B. die Memristortechnik von HP in die Serienfertigung, die hundertmal leistungsfähigere Hardware als heute ermöglicht, was die Welt ein weiteres Mal verändert.

Die Art der Arbeit wird sich auch dahingehend ändern, dass wir mehr mit chinesischen Produkten arbeiten, also weg von Microsoft Windows, hin zu Red Flag Linux. Des Weiteren müssen wir uns an mehr Flexibilität gewöhnen, denn wir können jederzeit ohne Vorwarnung zu einer ganz anderen Arbeit kommandiert werden, also z.B. aus dem Büro heraus zur Gartenarbeit oder vom Hörsaal in die Fabrik, dies wohlgemerkt auch in einem anderen Land oder auf einem anderen Kontinent; Relikte wie „wir schliessen um 22 Uhr“, „rufen Sie nur zu geschäftsüblichen Zeiten an“ oder „keine Nachtschichten“ kann man vergessen und wenn wir bei alledem „nur“ eine 50-Stunden-Woche haben, kommen wir noch gut weg.
Gleichzeitig wird Arbeitslosigkeit nicht mehr toleriert, denn „Pflicht zur Arbeit“ hat in China Verfassungsrang, also wird ALG II aka „Hartz IV“ ersatzlos abgeschafft und ALG I, wenn überhaupt, nur noch stark gekürzt existieren, das bedeutet, wenn man binnen sechs Monaten keinen neuen Job findet, verhungert man. Die neuen Herren werden uns mit roher Gewalt zur Arbeit zwingen, im nächsten Schritt durch Implantate und wenn Sie daran sterben, interessiert es niemanden.

Aus- und Weiterbildung: In China herrscht traditionell das konfuzianische Bildungsideal, das auch nach Japan, Korea und Vietnam ausstrahlt. Es postuliert universale Bildung und totale Autoritätsgläubigkeit.
Auswirkungen für uns: Der Lernstoff wird weit umfangreicher als bisher und der Druck zum Lernen in jedem Alter nimmt radikal zu, Prügel- und andere Körperstrafen breiten sich aus, Analphabetismus wird zum Verbrechen.
Viele Europäer, die das bisher nicht sehen wollen, obwohl die entsprechenden Informationen sowohl öffentlich als auch klar und deutlich sind und die sich deswegen auch nicht darauf vorbereiten, werden darunter zusammenbrechen, manche daran sterben.
Andere werden kreativ und bedienen sich technischer Mittel, um ihre Wissenslücken zu schliessen. Das gilt nicht als Betrug, denn es kommt in der Praxis nicht darauf an, woher man das Wissen nimmt, sondern nur, dass die Aufgabe gelöst wird – ein Phänomen, das ja ohnehin das traditionelle Schulsystem in seiner Existenz bedroht.

Exkurs: „Technische Mittel“ bedeutet nicht nur bessere Smartphones oder Smartwatches, sondern auch Gehirnimplantate bis hin zu künstlichen Neuronen und das ist kein Tippfehler. Das führt zu folgender Entwicklung: von den Anfängen der Menschheit bis heute verwenden wir einen grossen Teil unserer Arbeit darauf, Schäden zu beheben, die die Dummheiten anderer Leute wie auch unsere eigenen Dummheiten angerichtet haben. Mit Gehirnverstärkern, die unsere Dummheit beseitigen, werden wir viele heutige Probleme nicht mehr kennen, dadurch bleibt uns mehr Zeit, um produktiv zu sein und wir haben unser Privatleben, unsere Gesundheit usw. besser im Griff, gar nicht davon zu reden, was mehr Wissen und mehr Können im Kopf eines jeden Individuums sonst noch ermöglichen.

Ernährung: Die traditionelle deutsche Küche hat mindestens seit dem 18. Jahrhundert internationale Einflüsse aufgenommen, was nur von 1914 bis 1945 unterbrochen wurde, ein klassisches Beispiel ist die als „typisch deutsch“ geltende Currywurst mit Pommes Frites, denn Curry kommt aus Indien, die Fritte aus Frankreich und Bratwurst kannten schon die alten Hochkulturen im Mittelmeerraum. Dieser Wandel wird sich fortsetzen und wir werden uns relativ leicht daran gewöhnen, abgesehen von einigen Radikalen, denen es freisteht, sich umzustellen oder zu verhungern.

Mode: Das ist für mich so uninteressant, dass ich es anderen Leuten überlasse. Ich frage nicht danach, welche Kleidung die Herrscher tragen, aber der Rest der Menschheit nimmt das offenbar wichtig genug, um es nachzumachen oder sich generell mit diesem Thema zu befassen, also viel Vergnügen.

Freizeit: Reisebeschränkungen für ganze Länder sind in Zukunft nicht mehr relevant, denn in einem Weltstaat unter einheitlicher chinesischer Herrschaft – China muss aus reinem Eigeninteresse den Weltfrieden herbeiführen und dies ist wegen der menschlichen Natur nur durch eine Weltherrschaft möglich – gibt es kein „feindliches“ Gebiet mehr, sondern allenfalls noch Regierungsviertel, die gewöhnliche Leute nicht betreten dürfen.
Die „Bewältigung der Freizeit“ als generelle Herausforderung wird seit den 1960ern im Westen diskutiert und die chinesischen Regierungen seit Deng lernen dabei eifrig mit. Technischer Fortschritt und dadurch extrem gesteigerte Produktivität haben den Menschen mehr Freizeit gegeben als je sowie eine „Freizeitindustrie“ entstehen lassen, die schon im 20. Jahrhundert alle Vorstellungen sprengte.
Westliche Intellektuelle empören sich gelgentlich über chinesische Versuche, die Freizeitgestaltung als Kontroll- und Steuerungsinstrument gegen die Bevölkerung zu verwenden, wobei sie verschweigen, dass westliche Regierungen das nicht nur versuchen, sondern routinemässig tun, von Napoleon mit seiner Erkenntnis, „dass man immer auf die Phantasie der Menschen wirken müsse“ (zitiert nach Friedländer), weshalb er Theaterstücke zensieren und Schriftsteller einsperren liess, bis zu Gerhard Schröder, der seine Verachtung des Volkes ausdrückte, indem er sagte, man brauche „nur Bild, BamS und Glotze“, um Deutschland zu regieren. Alle Politiker der Welt handeln so und zwar bewusst und absichtlich, was bedeutet, dass unter chinesischer Herrschaft bestenfalls einige Akzente anders gesetzt werden, sich aber nichts Wesentliches ändert.


Ich sage noch einmal: Dies ist nur eine Skizze, ein allgemeiner Versuch, die gigantischen Dimensionen der laufenden Veränderung zu erfassen. Niemand kann jedem Einzelnen von uns die Verantwortung abnehmen, sich diesen Entwicklungen zu stellen, die für sich selbst relevanten Punkte näher herauszuarbeiten und sich bestmöglich daran anzupassen.

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