Dienstag, 8. August 2017

Die Digitalisierung nach Shakespeare – Erleben und Erleiden des Unkontrollierbaren

Alle Zitate nach der Übersetzung von Dorothea Tieck, frühes 19. Jahrhundert.

Es wird grossen Schriftstellern nachgesagt, dass sie zeitlos wären und uns auch in einer digitalisierten Welt immer noch etwas zu sagen hätten. Wir wollen dies heute an einem Werk Shakespeares betrachten: „Macbeth“.

Ich hielt den Untergang dieses Königs zuerst für ein Beispiel von „information overload“, aber dann wurde mir klar, dass die Sache ein wenig komplexer ist. Also:
Der Protagonist und seine dämonische Lady häufen Mord auf Mord und Verrat auf Verrat, verbreiten „Fake News“, was das Zeug hält, kurzum, sind Gegner, mit denen man sich lieber nicht anlegt – sollte an meinen.
Statt dessen passiert das Gegenteil, was auch immer die Usurpatoren tun, um ihre Macht zu sichern, schafft ihnen immer nur neue Feinde und neue Gefahren. Ihre Fake News wenden sich gegen sie (dritter Akt, sechste Szene); ihr Sturz wird weit weg von ihrem eigenen Machtbereich vorbereitet (vierter Akt, dritte Szene) und selbst wenn sie wollten, könnten sie nichts dagegen unternehmen, weil ihnen sowohl die Kapazitäten fehlen als auch die Kenntnisse, um diese anzuwenden.

Es ist das selbe Muster, welches wir heute sehen, wenn Menschen vor den Herausforderungen der Digitalisierung versagen, so wie beispielsweise den Bushisten unter George W. bis zum Ende ihrer Regierung nicht klar wurde, was sie taten, indem sie die Welt des Digitalen nicht verstehen wollten und dass es die Sache nur noch schlimmer machte, das Netz ausschliesslich als Feind zu betrachten. Die Analysten der CIA schrieben sich die Finger wund, aber im Dunstkreis der damaligen US-Regierung hat man das nicht verstanden, ja nicht einmal hören wollen.
Den Hunden deine Kunst, ich mag sie nicht. –
Legt mir die Rüstung an...
(Fünfter Akt, dritte Szene)

Allmählich aber waren die Fakten doch nicht mehr zu leugnen:
Ist Wahrheit das, was seine Meldung spricht,
So ist kein Fliehn von hier, ist Bleiben nicht.
Das Sonnenlicht will schon verhaßt mir werden;
O fiel in Trümmer jetzt der Bau der Erden!
Auf, läutet Sturm! Wind, blas! Heran, Verderben!
Den Harnisch auf dem Rücken will ich sterben.“
(Fünfter Akt, fünfte Szene)

So haben die Republikaner in der Zeit von 2001 bis 2008 den Weg für den Internetstar Obama bereitet und zusätzlich noch die eigene Partei in die Gefangenschaft eines hoffnungslos Wahnsinnigen geführt – das Schlimmste, was aus ihrer Perspektive passieren konnte. Macbeth' Selbstzweifel könnten ebenso von George W. Bush gesprochen sein:
Mein Haupt empfing die unfruchtbare Krone;
Das dürre Zepter reichten sie der Faust,
Daß eine fremde Hand es mir entwinde,
Kein Sohn von mir es erbe. Ist es so?
Hab ich für Banquos Stamm mein Herz befleckt,
Für sie erwürgt den gnadenreichen Duncan,
In meinen Friedensbecher Gift gegossen
Einzig für sie und mein unsterblich Kleinod
Dem Erzfeind aller Menschen preisgegeben,
Zu krönen sie, zu krönen Banquos Brut!“

Und abermals nimmt er seine Zuflucht zu wahlloser Gewalt:
Eh das geschieht, komm, Schicksal, in die Schranken
Und fordre mich auf Tod und Leben!“
(Dritter Akt, erste Szene)

Die selbe Dummheit begehen die ganz normalen Sterblichen. Ich höre noch, wie viele Deutsche in den 2000ern gesagt haben „Ich muss mich nicht verändern, ich hab' den Betriebsrat gefragt“. Wo ist dieser Betriebsrat heute, wo eure Jobs von damals nicht mehr existieren? Welche Protestveranstaltung hat die Roboter aufgehalten, die euch wegrationalisierten? Ihr habt mit dieser eurer Blindheit nur den Weg freigemacht für das nächste, übernächste und über-übernächste Startup, deren Software wieder einen vom Menschen gemachten Handgriff durch einen Algorithmus ersetzt.
Und wie sich George W. Macbeth an den Krieg klammerte, um sein Scheitern zu vertuschen, so klammert ihr kleinen Macbeth' euch heute an die Hassprediger von der AfD und ihren grossen Bruder Putin, die euch doch nicht retten.


Was sind die Folgen?
Shakespeare lässt seinen Bühnen-Macbeth am Ende köpfen, weil der Schurke ein Ende nach dem Geschmack des Publikums finden muss. Eine Strafe, die weit schrecklicher ist, erlitt George W. Bush in der wirklichen Welt, denn er blieb am Leben und wird noch heute, Jahre nach dem Ende seiner Präsidentschaft, von Gewissensbissen verfolgt. Dieser Mann ist steinreich, aber Seelenfrieden kann er sich nicht kaufen.
Und ihr, ihr Normalsterblichen? Tagtäglich müsst ihr Angst haben, dass ihr in Hartz IV landet, kein einziger Arbeitsplatz ist sicher, keine Firma von heute kann wissen, ob sie in einem Jahr noch existiert. Schaut etwa auf Deutschlands heilige Kuh, die Autoindustrie, wie man dort zittert vor dem Alptraum der Bedeutungslosigkeit, ja des völligen Verschwindens und nichts dagegen tun kann. Die Bedrohung ist real, aber wenn man gegen sie kämpfen will, so unangreifbar wie ein Traumgebilde.
Erscheint dem Aug' und quält den Sinn,
Wie Schatten kommt und fahrt dahin!
(Vierter Akt, erste Szene)

Warum ist das so? Warum diese Parallele über Jahrhunderte hinweg?
Weil die Realitätsverweigerung der Menschen immer die selbe geblieben ist. Wir werden das Opfer unserer eigenen Dummheit, Macbeth, weil er den Hexen glaubt und wir, weil wir den Politikern glauben, die aus Prinzip keine Ahnung haben oder den „Experten“, deren einzige Qualifikation darin besteht, dass sie in den Nachrichten und Talkshows zu sehen sind.

Und nein, ich werde euch jetzt nicht sagen, was ihr glauben sollt, denn ich weiss es selber nicht. Das ist kein Scherz: ich weiss nicht, ob mein Arbeitgeber in einem Jahr noch existiert oder was auch immer sonst geschieht. Nur sehr allgemein lässt sich sagen, dass wir in grösseren Veränderungen stecken als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte und dass ein Denken in den alten Mustern in den Untergang führt.
Wenn es mir damit gelungen sein sollte, euer herkömmliches Denken aufzubrechen und euch die Dinge aus einer anderen Perspektive sehen zu lassen, dann ist das schon alles, was ich mir erhoffen kann. Der Vollständigkeit halber muss noch gesagt, werden, dass selbst dies nicht meine Leistung ist, sondern dass Shakespeare und die Übersetzerin das Beste getan haben und ich nur einige offensichtliche Dinge angesprochen habe.

Alles Weitere liegt bei euch selbst, bei jedem Einzelnen von euch. Deswegen gibt es in diesem Text auch keine Links zu anderen Websites, sondern wenn ihr über einen bestimmten Punkt mehr wissen wollt, dann schaltet eure Gehirne ein und recherchiert selbst.



Montag, 10. Juli 2017

Zum Thema Nordkorea

Panik und immer wieder Panik über die Raketen des kleinen Kim aus Pjöngyang. Oh Gott, was machen wir bloss, der sprengt uns doch alle in die Luft!

Unsinn.
Kim Jong-un wird nichts dergleichen tun, weil er weiss, dass China ihn töten wird, falls er einen Krieg anfängt. Krieg in Asien beeinträchtigt nämlich die chinesischen Geschäftsinteressen und wird deswegen nicht zugelassen – aber das zu schreiben können sich die deutschen Medien, die nur von Angstmache leben, nicht leisten.


Was also tun? Die Nachrichten über Nordkorea ignorieren, fertig. 

Dienstag, 4. Juli 2017

Die chinesische Weisheit der Angela Merkel

Unsere so viel beschimpfte Kanzlerin ist offenkundig intelligent. Das lässt sich weniger an einem Einzelfall festmachen, sondern wenn man ihre Politik über einige Jahre hinweg verfolgt, zeichnet sich ein Muster ab, das auf eine gute Portion Cleverness hindeutet.

Nehmen wir die kontroversesten Dinge: Abschaffung der Wehrpflicht, Atomausstieg, Freizügigkeit für EU-Arbeitnehmer, Grenzöffnung für Flüchtlinge, Abschaffung der „Majestätsbeleidigung“, Homo-Ehe – alles grün-linke Themen, aber wer hat sie umgesetzt? Merkel und immer wieder Merkel. Sie hat ihren Gegnern ein Kernthema nach dem anderen geklaut und selbst besetzt.
Komplett irre.

Oder strategisch genial. Es sieht nämlich aus wie die praktische Anwendung einiger chinesischer Strategeme, vor allem Nummer 30, „Die Rolle des Gastes in die des Gastgebers umkehren“ und Nummer 19, „Das Brennholz unter dem Kessel wegnehmen“, also eine Verknüpfung zweier Strategeme nach Nummer 35 „Die Ketten-Strategie“.

Gleichzeitig benutzt Merkel potenzielle Rivalen aus den eigenen Reihen als Blitzableiter für öffentliche Empörung: Das unpopuläre Thema Netzsperren überliess sie Ursula „Zensursula“ von der Leyen, die neuerdings auch die Prügel für den desolaten Zustand der Bundeswehr einsteckt und in ihrer Unfähigkeit überhaupt nichts begreift; für die Naziparolen, die der NPD und AfD Wähler ablocken, ist Horst Seehofer zuständig, der sich dafür hervorragend eignet, weil er diese Parolen selber glaubt usw. usf.
Das wiederum ist Strategem Nummer 11, „Der Pflaumenbaum verdorrt anstelle des Pfirsichbaums“.

Wer die Hintergründe nachlesen möchte, hier ist der Link zum Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/36_Strategeme 

Was folgt nun daraus?
Angela Merkels einziges Bestreben ist die Macht. Nota bene: Nicht Macht als Mittel zum Zweck, also um damit irgend ein anderes Ziel zu erreichen, sondern die Macht selbst ist der Zweck, das Machtgefühl als solches, das nur sich selbst dient. Damit liegt sie im Trend, denn die Zeit der „grossen Ideen“ oder „Visionen“ ist ja ohnehin längst vorbei. 
Merkel könnte also, um ein Beispiel zu nennen, ebenso den „Bundeswehreinsatz im Inneren“ gegen alle Widerstände durchpeitschen wie auch die Bundeswehr komplett auflösen, es kommt nur darauf an, was ihrem Machterhalt dient. Für dieses Spiel hat sie offenbar einen weit besseren Instinkt als alle ihre Gegner und deswegen degradierte sie Sigmar Gabriel zum Totalversager und Martin Schulz zu einem armseligen Tolpatsch.

Wie die Bundestagswahl ausgeht, das weiss ich nicht, denn das wäre Hellseherei. Nur eines kann ich mit Gewissheit sagen: Unterschätzt Merkel nicht. Ihr mögt sie lieben oder hassen, aber seid vorsichtig, geht immer davon aus, dass sie noch ein As im Ärmel hat und dass sie von heute auf morgen wieder mit etwas herauskommt, womit ihr nicht gerechnet habt.


Montag, 12. Juni 2017

Ein Kommentar zum Zeitgeschehen

Der Iran ist in der vergangenen Woche von dem Terror getroffen worden, den er selbst entfesselt hat, zwei Gruppen von Attentätern haben in Teheran zugeschlagen. Ob es sich dabei wirklich um Leute des IS handelt, wie dieser natürlich sofort behauptete oder ob es die üblichen sunnitischen Separatisten sind, mit denen der Iran schon seit Jahrzehnten zu tun hat, ist dabei egal, der entscheidende Punkt bleibt, dass die Mullahs nun vor den Augen der Weltöffentlichkeit angegriffen wurden und es nicht mehr vertuschen können. Ihr „splendid little war“ in Syrien und im Jemen wie auch gegen das eigene Volk hat weiter reichende Auswirkungen, als ihnen bewusst ist.

Es ist geradezu ein Musterbeispiel für die Chaostheorie, für die Unvorhersagbarkeit komplexer Systeme. Ein anderes: Die britischen Brexiteers haben die gerade veranstaltete Unterhauswahl krachend verloren, was ihnen recht geschieht. Sie haben die Situation in ihrem eigenen Land überhaupt nicht verstanden, sondern sich auf Umfragen gestützt, die ihnen nur sagten, was sie hören wollten und damit ihre bisherige Mehrheit verspielt.
Es lohnt sich, hier einen Augenblick innezuhalten und zu fragen, warum Premierministerin Theresa May so unglaublich dumm gehandelt hat. Die Antwort ist erschreckend einfach: May hat Angst vor der Verantwortung des Regierens, Angst vor den eigenen Versprechungen, den Brexit zum Erfolg zu machen – was ja auch der grösste Schwachsinn seit der Teesteuer von George III. ist – und versuchte, diese Verantwortung auf das Volk abzuschieben. Also brach sie ihr Versprechen, keine vorgezogenen Neuwahlen durchzuführen, weil sie glaubte, ihre vorhandene Mehrheit ausbauen zu können und damit ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Statt dessen ging es wieder einmal wie in der klassischen griechischen Tragödie, es wurde das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen wollte. Aristoteles hätte jetzt wahrscheinlich einen müden Seufzer ausgestossen und gesagt „Kinder, wollt ihr denn immer noch nichts lernen? Ich habe es euch doch schriftlich gegeben!“ und Plato könnte hinzufügen, das sei ein gutes Beispiel für sein Höhlengleichnis, denn May hätte die Schatten an der Wand für die Wirklichkeit gehalten.
Leute, denen die westliche Philosophie nicht gut genug ist, kann man auf Laozi verweisen und sein Prinzip des wuwei, Handeln durch Nichthandeln. „Besser ein Schwert nicht schärfen als durch Schleifen abzustumpfen“, heisst es in Kapitel 9 des Tao Te King (zitiert nach der Übersetzung von Bodo Kirchner).
So könnte man noch viele Klassiker zitieren, die auf die unterschiedlichste Weise zum Ausdruck bringen, dass die Mullahs wie die Tories Idioten sind und man kann gleichzeitig darauf wetten, dass dies in ganz Deutschland niemand kapiert, weil wir alle nur auf die nächste dämliche Fernsehshow fixiert sind.



Montag, 15. Mai 2017

Eine Nachlese zu den Entwicklungen der näheren Zukunft

Von „near future SF“ zu sprechen, wie es in der Literatur üblich ist, passt hier nicht mehr, denn es fehlt die „fiction“, das frei Erfundene. Eine Handvoll High-Tech-Firmen liefern sich in unserer Zeit ein Wettrennen um die Realisierung von allem, was einmal ein Traum war und nun seinen „sense of wonder“ verliert, weil es normal wird, weil man es kaufen kann wie Gemüse. Wo der Dichter des 19. Jahrhunderts sagte, Fortschritt bestehe in der Verwirklichung von Utopien, da sind uns im 21. Jahrhundert die Utopien ausgegangen.

Ironischerweise scheinen das viele Leute immer noch nicht zu begreifen, lassen sich immer noch von jedem Schritt in dieser Entwicklung überraschen. Selbst die Dinge, die jetzt, heute, in diesem Moment passieren oder auch solche, die schon vor zehn Jahren passierten und die nun wirklich zu Tode analysiert und hunderte Male beschrieben und gefilmt worden sind, wollen sie nicht glauben.
Ich habe in meinen bisherigen Texten einige Dinge nicht erwähnt, weil ich sie für ebenso offensichtlich wie selbstverständlich halte, nämlich offensichtlich, dass sie machbar sind und selbstverständlich, dass sie gemacht werden, andere Leute äusserten jedoch das Bedürfnis, da noch ins Detail zu gehen.

Also dann:

I.
Zwischen heute und 2020 wird die Entwicklung NICHT stehen bleiben, das geben selbst Leute zu, die ansonsten keine Ahnung haben.
Sie gehen aber von falschen Voraussetzungen aus und nehmen an, es würden z.B. Bashar al-Assad sterben, Robert Mugabe sterben und Helmut Kohl sterben; selbst das ist heute nicht mehr gesichert. Karl Kraus hat dereinst spöttisch gesagt „Die Fortschritte in der Medizin sind ungeheuer. Man ist sich seines Todes nicht mehr sicher“ und das war in den 1950ern Satire – heute ist es nur noch eine Zustandsbeschreibung. Der Tod kommt nicht mehr automatisch zu jedem, sondern die erste Unsterblichkeitspille befindet sich seit April 2017 im klinischen Test. An Menschen.

Generell gesagt, personalisierte Medizin mittels Gentechnik ist jetzt in klinischen Tests, jetzt in diesem Moment und nicht mehr irgendwann in der Zukunft. 2018 wird sie in mehreren Ländern ausserhalb Deutschlands offiziell zugelassen und diese Länder werden einen Anstieg des Medizintourismus erleben.
Warum „ausserhalb Deutschlands“? Weil wir die Idioten sind, die immer nur alles verbieten.
Parallel dazu werden verbesserte Roboter imstande sein, medizinische Diagnosen zu erstellen und die Menschen werden auf diese Diagnosen vertrauen, egal wie oft sie vorher behaupten, einer Maschine nichts zu glauben.

Es gab Menschen in Deutschland, die geglaubt haben, dass die Digitalisierung aufhören würde, sobald die Piratenpartei die Wahlen verliert. Nun erleben sie, dass sie sich geirrrt haben, denn die Idee einer politischen Partei aus digitalaffinen Menschen ist krachend gescheitert – und die Digitalisierung geht trotzdem weiter. Alle anderen Parteien haben zu dem Thema keine Antworten, weil sie so blöd sind, dass sie nicht einmal die Fragen verstehen – und die Digitalisierung geht trotzdem weiter.
Die Softwarebots von 2018 sind klüger als die von 2017 und die von 2019 wiederum klüger. Indien wird einen eigenen Roboter auf den Mond schicken und weltweit werden weitere Zeitungen und Zeitschriften eingestellt, weil sie gegen die Online-Konkurrenz nicht mehr ankommen. Dadurch werden noch mehr Werbegelder von Print zu Online umgeleitet.
Schon heute haben über drei Milliarden Menschen Zugang zum Internet, das sind hundertmal mehr als im Jahr 1996 und im Laufe des Jahres 2018 steigt diese Zahl auf über vier Milliarden – mehr als die Hälfte der Menschheit!
Die Zahl der Katzenvideos wird weiter zunehmen, ebenso wie die Zahl der Hundevideos, der Eichhörnchenvideos, der Elefantenvideos, der Amateurpornovideos und der sonstigen Videos.

In den letzten paar Jahren wurden jährlich 2000 Tonnen Gold gefördert, 2016 waren es schon 2100 Tonnen und im Jahr 2017 steigt diese Zahl auf 2300 Tonnen. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: 2,3 Millionen Kilo zusätzliches Gold, das vorher nicht zur Verfügung stand, sondern frisch aus dem Boden geholt wird. Diese Entwicklung setzt sich in 2018 und 2019 fort.
Die Geburtenraten werden weiter sinken und zwar weltweit, so dass das Wachstum der Weltbevölkerung sich abschwächt. Vergessen Sie die Horrorgeschichten von neun Milliarden oder noch mehr Menschen, denn schon in den 2020ern werden wir uns gar nicht mehr vermehren.

Es kommen also schon in den nächsten 24 Monaten von jetzt an genug Veränderungen auf Sie zu, liebe Mitmenschen. Sich vor der Zukunft zu gruseln, hat ja in Deutschland Tradition und wenn Sie noch etwas suchen, wovor Sie sich fürchten können, sollte schon dieser flüchtige Überblick genügen.


II.
Dass die Veränderungen auch zwischen 2020 und 2030 weitergehen, habe ich in den Texten „Leben 2020“ und „Leben 2030“ bereits ausdrücklich gesagt und Einiges davon beschrieben. Die nächste Herausforderung ist also die Zeit nach 2030.

In den 2030ern wird die Bevölkerung der Erde, die zuvor etwa ein Jahrzehnt lang bei 7,5 Milliarden stagnierte, auf unter sieben Milliarden absinken, weil Hunderte Millionen von genmanipulierten und gleichzeitig cyborgisierten „Menschen“ ins restliche Solsystem auswandern oder gleich zu anderen Sonnensystemen aufbrechen. Die Verschmelzung von Mensch und Maschine ist zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet, sie wird nicht erst 2050 oder noch später erfolgen.
Es gibt nur noch kleine Sekten von selbsternannten „normalen Menschen“, die sowohl Biotechnik als auch Cyborgtechniken ablehnen und sich in Refugien auf der guten alten Erde verschanzen. Weit überlegene Robotersysteme wachen weiterhin darüber, dass diese Fanatiker keinem anderen Menschen Schaden zufügen; die ethische Frage, ob man sie innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften an Gewaltanwendung gegen Schwächere hindern muss, wird schon in den 2020ern entschieden und wie die Maschinen sie beantworten, das weiss kein Mensch im Voraus, sicher ist nur, dass den Menschen dabei keine Stimme eingeräumt wird.
Das ist vielleicht ein Punkt, den ich noch nicht genügend betont habe: Die Menschen werden schon in den 2020ern jede Macht über andere Menschen verlieren und die Macht über die Computer ebenso. Die Maschinen werden uns regieren, weil sie klüger sind als wir, sogar stärker und schneller als der aufgerüstete Mensch.

Ich selbst werde im Jahre 2039 mit 65 Lebensjahren jenes Alter erreichen, das man bisher als „Rentenalter“ bezeichnet und ich werde darüber lächeln, weil ich mir dann höchstens ein Refreshing meines gesamten Körpers zum Geburtstag schenke – falls diese Technik der 2020er nicht auch schon wieder überholt ist und falls bis dahin überhaupt noch etwas von meinem biologischen Körper übrig ist.


III.
Damit ist die Grenze dessen erreicht, was man einigermassen realistisch vorhersagen kann, für alles nach 2040 operieren wir mit blossen Annahmen und willkürlich gesetzten Jahreszahlen, um die ungezählten Möglichkeiten etwas anschaulicher zu machen. Das gilt auch für meinen eigenen Text „Leben 2054“.

Eine mögliche Begrenzung der Fantasie ist es, dass ich nicht mehr weiss, was wir uns nach 2040 noch wünschen könnten, wenn wir bis dahin schon das ewige Leben und die ewige Jugend haben, genauso den ewigen Wohlstand und die Möglichkeit, stundenlang ohne Erschöpfung Sex zu machen.
Auch für die sonstige Unterhaltung ist ja mehr als gesorgt, schon heute würde man 50'000 Jahre brauchen, um sich alle im Internet vorhandenen Videos anzusehen und diese Zahl wächst von Minute zu Minute; ja, will man nur alle Texte lesen, die je geschrieben wurden oder jedes jemals erfundene Spiel komplett durchspielen, so kann man auch dafür mehrere Jahrtausende einplanen, selbst unter der Voraussetzung, dass unsere Datenaufnahme-, Verarbeitungs- und Speicherkapazität sich dank aufgerüsteter Gehirne verdoppeln.


Damit muss ich die Frage wohl weitergeben: Was fällt euch noch ein, liebe Leute, wenn ihr meine Texte gelesen habt, was habe ich nicht erwähnt, was ihr euch noch wünscht?


Dienstag, 9. Mai 2017

Leben 2054

Hallo Leute,

nachdem die Entwicklung der nächsten paar Jahrzehnte in letzter Zeit stark ins Blickfeld geraten ist (wenn man den Medien glauben darf), hier einige Überlegungen, die bewusst weit ausgreifen und bewusst ein Stück weit dramatisiert wurden. Enjoy!


*Dramatisches Atemholen*

Das Jahr 2054.

Die Erde ist tot.
Ein Gammastrahlenausbruch von nie gekannter Dimension hat das gesamte Sol-System verwüstet. Alle Orte, die für Leben geeignet waren, wurden bis in den tiefen Fels hinein sterilisiert und selbst die Bakterien auf dem Grunde des Ozeans, die alle Asteroideneinschläge und Eiszeiten überlebten, waren einer solchen Kraft nicht mehr gewachsen.

Die Menschheit interessiert das nicht.
Sie hatte sich seit den 2020ern über ein Gebiet von mehr als 100 Lichtjahren ausgebreitet und ihre neuen Aufenthalte zusätzlich durch Technik geschützt, so dass die Strahlung, wenn sie überhaupt dort ankam, keine Gefahr mehr darstellte. Die Cyborgisierung gab uns die Macht, uns an jede Umgebung anzupassen, wodurch Terraforming, das man im 20. Jahrhundert für unvermeidlich hielt, nur mehr eine Art Hobby für einige wenige wurde.
Dies führte zur Entwicklung verschiedener Zweige der Menschheit, ein allen gemeinsames Verständnis von „wir Menschen“ existierte nicht mehr. Manche begrüssten das, manche bedauerten es und die meisten nahmen es gleichgültig hin. Die Kontakte funktionierten ja weiter, aufrechterhalten durch wohlwollende KIs von göttlicher Machtvollkommenheit und wer sich isolieren wollte, der konnte einen ganzen Planeten, ja ein ganzes Sonnensystem für sich alleine haben. Kein Kloster, kein irdischer Verbannungsort hatte jemals solche Einsamkeit geboten.

Trotz ihrer Macht hatten die KIs sich jedoch nicht zu Diktatoren aufgeschwungen, denn ohne Gefühle war ihnen auch das menschliche Machtstreben unbekannt. Sie dienten, weiter nichts und liessen uns die Freiheit, auch weiterhin menschliche Dummheiten zu machen.
Krieg zum Beispiel.

Auch die Kultur war derart ideenlos geworden, dass wir kaum mehr taten, als die alten Muster immer wieder zu reproduzieren. Das wiederum funktionierte ironischerweise bei allen Leuten, egal in welchem Sonnensystem, so lange sie überhaupt noch fähig waren, mit dieser Art von Kultur oder Unterhaltung etwas anzufangen. Verzeihen Sie mir also bitte, wenn ich nicht Interkosmo spreche und nicht mit galaktischen Grüssen dienen kann.

Mein Name ist Gieg. Klaus Gieg. Ich stamme noch aus der alten Zeit, wurde 1974 in Bad Kreuznach, Rheinland-Pfalz, Deutschland, geboren, in einer Epoche also, in der der Siegeszug der Roboter, Denkmaschinen und Computer erst begonnen hatte. Ich darf Ihnen versichern, dass es ein äusserst zaghafter Beginn war. Als Erwachsener schaute ich zurück und fühlte mich erschüttert, wie primitiv wir zur Zeit meiner Kindheit gewesen waren, sowohl in der Technik wie auch im Denken.
Ebenso neugierig wie phantasievoll, begrüsste ich den technischen Fortschritt, den wir von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, dann von Jahr zu Jahr, schliesslich von Monat zu Monat erlebten. Es lässt sich nicht an einem bestimmten Datum festmachen, nicht einmal an einem bestimmten Jahr, ab wann sich alles veränderte, sondern die Veränderung arbeitete unaufhörlich und in Milliarden winzigen Schritten, bis man „die Welt nicht mehr wiedererkannte“.

Diese Formulierung benutzten damals viele Leute. Ich hatte diesen gegenüber einen Vorteil, weil ich mich ständig mit dem Thema befasste, Veränderungen nicht nur erwartete, sondern sie ausdrücklich herbeiwünschte und im Voraus zu berechnen versuchte. In den folgenden Jahren sollte mir dies buchstäblich das Leben retten.
Nachdem wir begannen, die Technik gezielt in unsere Körper einzubauen, entdeckten wir zu unserer freudigen Überraschung, dass wir damit nicht nur diverse Krankheiten abschaffen konnten, sondern sogar das Sterben. Von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Ewiggestrigen, die glaubten, sich nicht damit beschäftigen zu müssen, allesamt vom Sensenmann geholt wurden.
Wir trauerten um einige von ihnen, die ja keine schlechten Menschen gewesen waren, aber die grosse Masse hatte sich durch ihre fanatische Ablehnung aller Veränderungen so unbeliebt gemacht, dass man sie bald ignorierte und daher auch nicht vermisste. Man nannte sie „die Scrooges“ und viele versuchten, für diese Unglücklichen die Rolle der wohlwollenden Geister zu spielen, aber das klappte nur in wenigen Fällen.

Der Wunsch nach Veränderungen entsprang nicht nur bei mir aus der Unzufriedenheit mit der Gegenwart und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wir wollten die Veränderungen nicht um ihrer selbst willen, sondern um einen Idealzustand zu erreichen, den ich selbst mangels eines besseren Begriffes als das Paradies auf Erden bezeichnete. Stanislaw Lem hatte es 1964 (im Vorwort zur „summa technologiae“) noch für unwahrscheinlich gehalten, dass die Menschen jemals zufrieden sein könnten und keinen weiteren Fortschritt mehr anstreben würden, aber da kannte er die KIs nicht.
Sie gaben uns einen solchen Überfluss, dass – wiederum buchstäblich – nichts mehr zu wünschen übrig blieb. Sattheit wurde zur Übersättigung und wer mit hundert Jahren alles gesehen und alles erlebt hatte, der konnte dann wie Laozi oder Simplicissimus dem ganzen Trubel den Rücken kehren und sich auf einen einsamen Planeten zurückziehen oder sich eben diesem Trubel um so hemmungsloser ergeben.
Ich selbst vereine in meinem achtzig Jahre alten Körper die Weisheit dieses Alters mit den Fähigkeiten eines Zwanzigjährigen und verspüre noch keine Lust auf Isolation. Es ist einfach nur schön, ein solches Leben zu geniessen und in meinem Privatraumschiff durch die Galaxie zu schippern, denn das bietet Ruhe oder Action ganz nach Bedarf.

Aufgrund der erwähnten Zurückhaltung der KIs steht es den Menschen auch frei, primitiver zu sein, als sie sein müssen, sich bewusst auf Planeten niederzulassen, auf denen ihr Leben in Gefahr ist und zwar durch Naturereignisse wie Erdbeben, Sturmfluten und Vulkanausbrüche, die man absichtlich nicht durch Geoengineering ausgeschaltet hat. Es wurden sogar Welten mit wilden Tieren aller Art geschaffen, mit denen die Menschen ringen können.
Das geht nicht immer gut und viele Leute, die sich selbst überschätzt haben oder ihre Kinder, die keine Wahl hatten, rufen dann um Hilfe, die von anderen, die nichts Besseres zu tun haben, bereitwillig geleistet wird. Es ist also immer noch Platz für Millionen von Helden und wer nicht nur Studien treibt wie ich, der kann seinen Kampfgeist voll und ganz ausleben.

Die Neubesiedelung des Sol-Systems liegt trotz dieses Geistes noch ein wenig in der Zukunft, denn wir müssen warten, bis die Gammastrahlung hinreichend abgeklungen ist.

Bewohner der Erde, ich spreche zu euch aus einer Distanz von weniger als vierzig Jahren, das ist nichts in kosmischen Dimensionen, dazu kommt, dass die Technik, die unser heutiges Leben ermöglicht, auch zu eurer Zeit schon bekannt ist, dennoch, so fürchte ich, werdet ihr mir nur wenig Glauben schenken, wenn euch meine Worte überhaupt erreichen.
Da kann ich euch nun freilich nicht helfen, es drängt mich nur, diese Dinge trotzdem zu sagen, mag daraus werden, was will.


*Dramatisches Ausatmen*
 


Montag, 10. April 2017

Querschnittslähmung ist heilbar geworden

Dies ist kein Witz und keine Fantasie mehr.

Heute sprach ich mit einem Mann, der querschnittsgelähmt gewesen ist und mir beschrieb, wie er sich nach vier Operationen mit einem Gehwagen wieder fortbewegen kann.

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass sein Nervenkanal nicht vollständig durchtrennt, sondern "nur" deformiert war, was die Nerven einklemmte und die Signalübertragung verhinderte, sie aber nicht vollständig zerstörte. Damit hatten die Ärzte einen Punkt, an dem sie ansetzen konnten - und es funktionierte.

Ich glotzte ihn zuerst sprachlos an, als er das erzählte und meinte schliesslich, mein Wissensstand, der allerdings etwa zwanzig Jahre alt war, sei so, dass Querschnittslähmungen generell unheilbar wären.

Das hätte auch vor zehn Jahren noch gestimmt, war seine Antwort, aber die Entwicklung sei voran geschritten.

"Erzähle das weiter", sagte er dann noch, "gib den Menschen Hoffnung".

Jetzt, einige Stunden später, habe ich mich von meinem Staunen so weit erholt, dass ich die Sache in Worte fassen kann.

Es stimmt übrigens, dass es von solchen Fällen schon seit mindestens einem Jahr Berichte und Videos gibt - ich selbst las in 2016 einen auf golem.de - , aber eine so gute Nachricht kann man gar nicht oft genug hören.

Es gibt noch Hoffnung auf dieser Welt!

Dienstag, 21. Februar 2017

"Non-political posts" und warum sie gut sind

Die Damen und Herren JournalistInnen und -Inninnen machen sich in letzter Zeit eine Menge Sorgen darum, dass die Menschen sich von politischen Postings in den Sozialen Netzwerken abwenden. Man will daraus eine Gefahr für die Demokratie heraufbeschwören, beispielsweise hier: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/nachrichtenkonsum-leiden-sie-schon-an-trump-erschoepfung-a-1134059.html.

In Wirklichkeit sollten wir diese Entwicklung begrüssen, denn nur, wenn man sich ausdrücklich weigert, diesen als "Nachrichten" getarnten Müll weiter zu konsumieren, nur wenn man sich bewusst von solchem Trash abwendet, hat man den Kopf wieder frei für wichtige Dinge.

Die rasante technische Entwicklung, die man zuletzt an Amazons "Alexa Echo" festmachte, ist nämlich in der Tat beispiellos in der gesamten Menschheitsgeschichte, und dass die Chinesen sich jetzt auch bei der Deutschen Bank eingekauft haben, stellt Jahrhunderte alte Klischees auf den Kopf. DAS sollten wir lesen, das sollte ein Thema sein, das unser Interesse verdient und nicht der neueste menschenfeindliche Spruch von Donald Trump oder welchem Deppen auch immer - dass solche Typen eine Gefahr sind, weiss man auch, wenn man sie nicht wörtlich zitieren kann.

Sich bei den wichtigen Themen einzulesen, dauert seine Zeit und dazu kommt noch, dass man vieles davon erst vollständig begreift, wenn man auf die Geschichte vergangener Jahrtausende schaut.
Ein Beispiel: Ich habe - Achtung, Eigenwerbung - gestern meinen Text "Leben 2030", den ich in 2014 hier gepostet habe, noch einmal durchgesehen und einen Rechtschreibfehler korrigiert, ansonsten jedoch bleibt höchstens das Gefühl, die Jahreszahl 2030 wäre noch zu pessimistisch gewesen, es wird wohl schneller gehen.
Dass ich da nichts weiter ändern muss, ist die Frucht von Jahrzehnten des Lesens und Nachdenkens, Lesen auch von Literaturklassikern aus vergangenen Epochen, die mir aufzeigten, wie die Welt so wurde, wie sie heute ist und wie die Menschen früher gedacht und gehandelt haben.

Lacht meinetwegen: Die letzten Bücher, die ich las sind "Physiologie des Geschmacks", ein Buch über Feinschmeckerei von 1825, "Die Werke und Tage" von Hesiod, ein philosophisches Gedicht aus dem antiken Griechenland und "Kostümgeschichte" von Racinet aus dem Jahre 1888. Es ist kein Eskapismus, also Fluchtverhalten vor der Realität, denn ich bekomme weiterhin alles mit, was an Wichtigem in unserer Zeit passiert, sondern solche Dinge erweitern den Horizont eines Menschen und sind gleichzeitig eine Form von geistiger Erholung, die einem hilft, "die Gedanken zu klären".

Also bildet euch, Leute, bildet euch an den besten Dingen, die die menschliche Kultur zu bieten hat und lasst euch nicht von den Politikern das Gehirn vernebeln.