Die
Medien sind voll von Schreckensmeldungen zur Boeing 787 und je
nachdem, was man bezweckt, lässt sich die Sache in jeden beliebigen
Kontext biegen, von „Da hat man es, die Amis könnens eben nicht“
bis zu „Oh Gott, wenn das nicht mal die Amis schaffen, dann schafft
es niemand, das ist das Ende der Zivilisation“ oder irgend etwas
dazwischen.
In
derartigen Fällen ist es hilfreich, einen Blick in die Geschichte
des Flugzeugbaus zu werfen, denn das jämmerliche Versagen des
Boeing-Managements, das ein solches Desaster erst ermöglichte, hat
seine Vorgänger.
- 1918,
gegen Ende des Ersten Weltkrieges, bauten die Briten einen
sechsmotorigen Bomber namens Tarrant Tabor, ein überaus
beeindruckendes Ding, das so sehr falsch konstruiert war, dass es
schon beim ersten Flug abstürzte.
- In
den 1930ern entstand in den USA die Curtiss SB2C Helldiver, ein
trägergestützter Sturzkampfbomber, bei dem es noch schlimmer
zuging, denn auch hier stürzte der Prototyp ab, dennoch kam es zur
Serienfertigung einer Version, die schlechter war als jenes Modell,
das sie ablösen sollte und es wurden 7'000 Exemplare gebaut, damit
die Piloten auch im scharfen Einsatz etwas zu fluchen hatten.
- Im
damaligen Deutschen Reich wäre es niemandem eingefallen, aus den
Dummheiten anderer Länder zu lernen, sondern man hielt es für eine
patriotische Pflicht, eigene Dummheiten zu machen. Mit deutscher
Gründlichkeit verknüpfte man die Idee eines viermotorigen Bombers
mit grosser Reichweite mit der Idee des Sturzkampfbombers. Da eine
viermotorige Maschine beim Sturzflug glatt zerbrochen wäre, koppelte
man jeweils zwei normale Flugzeugmotoren zu einem zusammen, was dem
Entwurf das Aussehen und, so hoffte man, die Sturzeigenschaften einer
zweimotorigen Maschine geben würde. Nun waren aber diese gekoppelten
Motoren relativ empfindlich und fingen auch ohne Feindeinwirkung
schnell Feuer, was dem so ausgerüsteten Flugzeug, der Heinkel He
177, die Namen „Reichsfeuerzeug“ und „Reichsfackel“
einbrachte.
- Im
japanischen Kaiserreich wäre es damals unter der Würde der
Kriegsherren gewesen, etwas aus den Dummheiten des Weissen Mannes zu
lernen, also erschuf man eine einheimische Dummheit. Der Bomber
Mitsubishi G4M sollte eine möglichst grosse Reichweite bekommen,
also war er in Leichtbauweise ausgeführt und dadurch so
beschussempfindlich, dass er schon nach wenigen Treffern in Flammen
aufging, woraufhin er von seinen Gegnern die Bezeichnung „One-Shot
Lighter“ (Wegwerf-Feuerzeug) bekam.
Damit
könnte man den Schluss ziehen, so viel Dummheit sei eine spezifisch
militärische Eigenschaft.
Wenn
es doch nur so einfach wäre! Bei rein zivilen Projekten versuchen
viele Leute, die Uniformträger zu übertreffen und das bisher
furchtbarste Ergebnis ist die DeHavilland DH 106, besser bekannt als
Comet 1. Sie wurde 1951 als Wundermaschine und als Anbruch eines
neuen Zeitalters gepriesen, aber sie hatte schwerwiegende
Konstruktionsfehler, die sich erst im laufenden Betrieb zeigten –
in Abstürzen mit Hunderten von Toten während der Jahr 1953 und
1954.
Es war eine Tragödie, die man sich noch heute kaum vorstellen kann und das Zeitalter der Passagierjets schien vorbei zu sein, noch ehe es richtig begonnen hatte. Die verbesserte Version Comet 4 kam zu spät, um am Markt noch erfolgreich zu sein, eine fürs Militär entwickelte Variante war jedoch ironischerweise so zuverlässig, dass sie bis 2011 im Dienst blieb.
Es war eine Tragödie, die man sich noch heute kaum vorstellen kann und das Zeitalter der Passagierjets schien vorbei zu sein, noch ehe es richtig begonnen hatte. Die verbesserte Version Comet 4 kam zu spät, um am Markt noch erfolgreich zu sein, eine fürs Militär entwickelte Variante war jedoch ironischerweise so zuverlässig, dass sie bis 2011 im Dienst blieb.
Auch
Boeing hat im Zivilgeschäft schon des öfteren kräftig gepatzt, in
den 1960ern etwa, als man in Konkurrenz mit den Europäern und
Sowjets an Überschallmaschinen für den Passagierdienst arbeitete.
Das amerikanische Projekt, die Boeing 2707, wurde nie gebaut, so dass
man zwar von 1966 bis 1971 Hunderte Millionen Dollar damit
verbrannte, davon 75% Steuergelder (!), aber dennoch weniger
erreichte als die Kommunisten mit ihrer Tu-144 und erst recht weniger
als die Europäer mit der Concorde. 122 Bestellungen mussten abgesagt
werden.
Und
dann ist da noch der grosse europäische Pannenvogel Airbus A380.
Es
liessen sich noch mehr Beispiele finden, aber es dürfte hinreichend
deutlich geworden sein, dass derartige Pleiten zum Flugzeugbau
offenbar dazu gehören.
Wie
ist so etwas möglich? Schliesslich sind die Naturgesetze wie Physik,
Aerodynamik usw., die beim Flugzeugbau eine Rolle spielen, schon seit
langer Zeit bekannt, genauso die Prinzipien der Ballistik bei
spezifisch militärischen Anforderungen, die Werkstoffkunde bei den
jeweils verwendeten Materialien und endlich sind die o.g. Fälle auch
keine Geheimnisse, sondern es gibt ganze Bücher darüber. Jeder
Amateur kann sich in die Materie einlesen und für Fachleute sollte
das selbstverständlich sein. Boeing ist ja schliesslich nicht irgend
eine Firma, sondern baut schon seit wer weiss wie vielen Jahrzehnten
Flugmaschinen!
Die
logische Antwort ist, dass es nicht an fehlendem Wissen liegt. Es
liegt an der Eitelkeit der Manager, die glaubten, dieses Wissen
selbst nicht zu brauchen und auch das Wissen und Können anderer
Leute ignorieren zu dürfen.
Warum
ist das so? Wie können die Manager immer und immer wieder eine
solche Schuld auf sich laden?
Die
Antwort ist so einfach wie schrecklich: Es liegt nicht daran, dass es
hier um Flugzeuge geht, sondern hier wirken sich menschliche
Schwächen nur besonders drastisch aus. Flugzeugfirmenmanager sind
genau wie Manager in anderen Branchen, nämlich dumm, unfähig,
eingebildet und zumindest in Teilen psychopathisch. Warum solche
Leute an die Spitze kommen, ist eine Frage, die wir ein andermal
behandeln können, belassen wir es einstweilen dabei, dass diese
Methode den geringsten Schaden anrichtet. Wenn man nämlich
verhindern will, dass Idioten oder Wahnsinnige an die Spitze kommen,
braucht man ein Kontrollsystem, das so aufwändig ist, dass jeder
Staat, der eines zu errichten versucht, automatisch bankrott geht,
von der Korruptionsanfälligkeit gar nicht zu reden. Stattdessen die
Kunden zu Betatestern zu machen, ist zutiefst unethisch, hat sich
aber in der Praxis als die beste aller schlechten Lösungen erwiesen.
Und
warum soll das trotzdem kein grösseres Problem sein? Ganz einfach,
weil Menschen sich auf so etwas einstellen können. Sie rechnen mit
der Blödheit der Bosse, wie sie mit Unwettern rechnen und dann
machen sie das Beste daraus. Im Fall der 787 heisst das, dass man
andere Flugzeuge benutzt oder dass man eine Möglichkeit findet, den
Luftweg zu umgehen oder was auch immer. Ich z.B. habe mir einige
Städte in den USA per Youtube-Videos angesehen und damit entsprechend viele Flugreisen gespart.
Das
bedeutet für die Zukunft, dass es noch andere Grossprojekte geben
wird, seien es technische, politische oder sonst etwas, die
jämmerlich in die Hose gehen und dass nichts und niemand das jemals
verhindern kann. Da wir das wissen, können wir dem in Ruhe entgegen
sehen und dann, wenn die Trümmer zu Boden gefallen sind, retten, was
noch zu retten ist.
Wem
das nicht reicht, dem kann ich gerne einige Lösungen liefern und
auch erklären, warum diese Lösungen nicht angewendet werden. Boeing
hat mehrere Möglichkeiten:
-
Zurück an den Anfang gehen und das Flugzeug noch einmal von vorne
bauen, um es diesmal richtig zu machen. Dann könnte die 787 in
weiteren fünf bis zehn Jahren brauchbar sein. Wird nicht gemacht,
weil die Eitelkeit der Manager es verhindert und offiziell begründet
man diese Haltung mit hohen Kosten.
-
Fremde Experten heranziehen. Könnte nur unter äusserem Druck
geschehen, der die Seilschaften im Konzern durchbräche. Einen
solchen Druck gibt es nicht.
-
Alles offenlegen und die weltweite Community von Experten an die
Sache heranlassen, dann wären alle Probleme der 787 innerhalb von
vier Wochen gelöst. Wird nicht gemacht, weil Boeing damit
Betriebsgeheimnisse preisgeben müsste, von denen man sich in Zukunft
noch Einnahmen verspricht und ausserdem die Eitelkeit der Manager
erst recht angekratzt würde.
Da
wir die menschliche Natur kennen, ist leicht vorherzusagen, dass man
den dümmsten Weg gehen wird, nämlich „weiter wie bisher“ und
sich vor den Konsequenzen zu drücken versucht. Damit wird man alles
nur noch schlimmer machen und entweder bricht dann das ganze
Lügengebäude zusammen, wodurch die 787 vom Markt verschwindet oder
es geschieht vorher das Wunder, dass einer der Boeing-Manager den Mut
findet, zu sagen „das war Scheisse, wir müssen uns unsere
Fehler eingestehen und etwas Neues machen“.
So
oder so wird es schmerzhaft.
Wenn
Sie das alles nicht glauben wollen, so können Sie sich leicht selbst
überzeugen, ob das Boeing-Management besser ist, als ich es hier
darstelle. Richten Sie eine Anfrage zu dem Thema an Boeing selbst,
z.B. „Was hat man sich bei den irrealen Versprechungen zu
Lieferterminen der 787 gedacht?“ und Sie werden keine ehrliche
Antwort bekommen, sondern nur das ewig gleiche PR-Geschwätz.
Die
Geschichte belehrt uns ausserdem, dass es noch eine weitere
Möglichkeit gibt. Es kann sein, dass Boeing-Mitarbeiter bei der
Fehlersuche und -behebung die Maschine im laufenden Betrieb
perfektionieren. Das wäre nicht das Verdienst der Manager, es sähe
aber so aus, als wenn das „weiter so“ doch funktioniert hätte.
So
etwas erfordert einen langen Atem, d.h., man braucht Ressourcen, von
denen man in dieser zusätzlichen Arbeitszeit leben kann. Wenn es
funktioniert, wäre idealerweise noch durch eine psychologische
Untersuchung zu klären, ob die Verantwortlichen eine wohl abgewogene
Entscheidung trafen oder nur mehr Glück als Verstand hatten, denn
nur so könnte man sicher sein, dass das Lob nicht an die Falschen
geht und der Fehler in Zukunft vermieden wird.
In
der Realität wird es eine derartige Untersuchung nicht geben, man
begnügt sich damit, Lob mit der Giesskanne zu verteilen und nur bei
einem Fehlschlag genauer hinzuschauen, denn so sind wir Menschen.
Wenn
wir schon dabei sind, können wir auch gleich noch den Advocatus
Diaboli spielen und das Ganze als Beispiel für amerikanischen
Wagemut und damit für eines der „Erfolgsgeheimnisse“ der USA
ansehen, denn Boeing hat im Bewusstsein, dass das Leben der Firma vom
Verkaufen immer neuer Flugzeuge abhängt, sowohl bei den Materialien
und der Fertigung wie auch bei der Ausstattung der 787 Neuland
betreten und ist damit ein enormes Risiko eingegangen, gar nicht
davon zu reden, dass der Fall reichlich Anschauungsmaterial über
hochkomplexe Prozesse bietet, aus dem jeder, der will, etwas lernen
kann. Wer weiss denn schon, ob das nicht belohnt, der Dreamliner
nicht im Jahr 2017 oder so als Vorbild gefeiert werden wird?
So,
jetzt denken Sie bitte selber darüber nach und bilden sich Ihr
eigenes Urteil.
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Das
gleiche Szenario wie beim Dreamliner im Vergleich mit der Geschichte
des Flugzeugbaus sehen wir bei den Banken. Es wird so getan, als wäre
der jeweils aktuelle Bankencrash etwas völlig Unverhersehbares und
nie Dagewesenes.
Nun,
es ist nicht ganz so neu. Dass etwas Derartiges möglich ist, also
die Bank das Vertrauen der Anleger verliert, sah ich zum ersten Mal
als Kind in dem Film „Mary Poppins“ (die 1964er-Version mit Julie
Andrews) und verstand es, ohne irgendein „Experte“ zu sein, denn
die Bilder sprachen für sich. Und wenn wir in die reale Geschichte
greifen, ziehen Sie sich besser warm an, denn es gab noch nie ein
Jahr ohne Bankenkrise, seit es überhaupt Banken gegeben hat. Wer
historisch einigermassen versiert ist, kann daher die immer gleichen
Heulereien über das Thema nur als gähnend langweilig empfinden.
Nur
der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Welt deswegen
noch lange nicht untergegangen ist.
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