Sonntag, 23. November 2014

Eine alternative Zeitlinie – oder vielleicht doch nicht?


Eine alternative Zeitlinie – oder vielleicht doch nicht?

Deutschland 1919

Gustav Noske wird in der kommenden Nacht eines natürlichen Todes sterben.
Das heisst – der Aufstand wird nicht niedergeschlagen? Die Regierung wird stürzen?
Stummes Nicken ringsum.
Nun, was bedeutet das schon gross? Die Weimarer Republik machte das Stürzen ihrer Regierungen zu einem regelrechten Sport, ja man nannte es sogar so. Ein Kabinett mehr oder weniger wird daran nichts ändern und Hitler kommt sowieso an die Macht.
Wenn es doch nur so einfach wäre. Die Wirklichkeit macht nämlich aus jedem einfachen Szenario ein sehr kompliziertes und das bedeutet in diesem Falle: Das Chaos, das in dieser Zeitlinie herrscht, ist schon grauenvoll genug, aber wenn der Spartakistenaufstand Erfolg hat, wird es das Ende der Menschheit.
Der Skeptiker starrte einige Augenblicke vor sich hin.
Atomkrieg?, fragte er dann mit einer Stimme, die ihre Leichtigkeit verloren hatte.
Ja, mit nuklearen Waffen auf beiden Seiten und Einsatz auf beiden Seiten.
Und Sie sind hier, um das zu verhindern? Wie?
Wir werden Gustav Noske weiterleben lassen. Ein Doppelgänger wird an seine Stelle treten, den nicht einmal Frau Noske vom Original unterscheiden kann und potenzielle Abweichungen von seiner bisherigen Persönlichkeit werden dadurch erklärt, dass ihn die Niederschlagung des Aufstands verändert hat. In einer Welt voller traumatisierter Kriegsveteranen ist das eine so einleuchtende Erklärung, dass niemand sie hinterfragt.
Dieser Noske wird der Bluthund werden.
Und dann? Was geschieht nach seinem Sieg?
Lebt er sein Leben weiter, wie es in den Geschichtsbüchern steht, wird alt, stirbt 1946 und wird begraben. Fertig.

Der Skeptiker dachte einige Augenblicke nach.

Welcher Mensch könnte so etwas auf sich nehmen?
Keiner, erwiderte die Anführerin in aller Ruhe.
Nur eine Maschine.
Sie hob etwas die Stimme.
Gustavbitte zeig' dich unserem Freund hier.

Eine der anderen Gestalten trat ins Licht und der Reichswehrminister der Weimarer Republik stand vor dem Skeptiker.
Um zu beweisen, dass er tatsächlich ein Androide war, nahm er seinen Kopf ab, warf ihn einige Male aus der einen Hand in die andere und setzte ihn dann wieder auf, ohne dass am Hals auch nur die geringste Spur zurückblieb. Danach stand er wieder in gelassener Haltung da.

Am nächsten Morgen stand er mit ebensolcher Gelassenheit im Kabinett, sah nach den von wem auch immer geäusserten WortenDann mach' du doch die Sachein die verängstigt-hoffnungsvollen Gesichter seinerKollegenund übernahm eine grössere Verantwortung, als die Historiker je ahnen sollten, indem er mit tödlicher Ruhe sagte:Meinetwegen. Einer muss den Bluthund machen...


Politik ist nicht die Entscheidung zwischen Gut und Böse, sondern ein ständiges Lavieren zwischen verschiedenen Übeln. Man kann sie nicht besser machen, aber jederzeit verschlimmern.

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